Baerbocks Selbstinszenierung als Präsidentin der UN-Versammlung

Für Atifa Qazi ist Annalena Baerbock als neue Präsidentin der UN-Generalversammlung kein Gewinn für den Feminismus

  • Atifa Qazi
  • Lesedauer: 3 Min.
Annalena Baerbock wird im Hauptquartier der Vereinten Nationen vereidigt.
Annalena Baerbock wird im Hauptquartier der Vereinten Nationen vereidigt.

Nun war es so weit: Am 9. September wurde Annalena Baerbock als Präsidentin der UN-Generalversammlung in New York vereidigt. Zuvor wurde sie kritisiert, weil der Diplomatin Helga Schmid, eine erfahrene und womöglich geeignetere Kandidatin, dieser Posten dadurch verwehrt geblieben war. Davon mag man halten, was man will – es gibt genug andere Dinge, die man bei Baerbock kritisieren kann.

Da wäre jener Feel-good-Feminismus, der Intersektionalität nicht verstanden hat, komplexe Machtverhältnisse nicht hinterfragt und sogar neokoloniale Bilder reproduziert: Mit der Hymne »Football’s Coming Home« gratulierte sie dem DFB-Frauenteam (»Fußball ist sooo geil«), mit »Ordinary Girl« von Hannah Montana motiviert sie junge Mädchen mit Girlboss-Power.

Unter dem Hashtag »#bettertogether« (Motto der 80. UN-Sitzungsperiode) meldete sich Baerbock im Vorfeld ihrer Vereidigung aus New York – mal im »Sex & the City«-Look, Stöckelschuhe tragend und ein Taxi bestellend, mal mit Bagel und Coffee-to-go-Pappbecher, Denglisch sprechend. Viele sind von diesen Internetvideos peinlich berührt, andere feiern sie als »badass« Selbstermächtigung. »Starke Frauen braucht das Land, Gänsehaut-Moment«, lautet einer der vielgelikten Posts unter dem Taxi-Video.

Die klischeehafte Selbstinszenierung in der US-Metropole, die glamouröse Darstellung ihres Postens und die übertriebene Vorfreude auf das Amt als UN-Präsidentin wirken, als wolle Baerbock von etwas ablenken. »Bald Bagels in Den Haag« – heißt es in einem Kommentar unter dem Video aus ihrem »Go-to Bagel-Spot«, das mittlerweile eine Million Klicks hat. Eine polemische Anspielung darauf, dass die Grünen-Politikerin aus Sicht mancher Kritiker*innen nicht an die Spitze der UN-Vollversammlung, sondern vor ein internationales Tribunal gehöre. Schließlich habe sie als Außenministerin Israels Vorgehen in Gaza unterstützt. Sie ging sogar so weit, zivilen Orten – unter bestimmten Voraussetzungen – ihren Schutzstatus abzuerkennen.

Atifa Qazi

Atifa Qazi ist freie Journalistin und Redakteurin bei der Zeitschrift »Kulturaustausch«.

Oft wertet sie Kritik mit der Begründung ab, dass sie eine Frau sei, und ist sehr stolz darauf, die erste Außenministerin Deutschlands zu sein. Time to get over it, Annalena! Mit ihrer »Feministischen Außenpolitik« versuchte sie, westliche Werte Ländern des »Globalen Südens« zu vermitteln, obwohl es längst in vielen dieser Länder weibliche Außenministerinnen gab, etwa Hina Rabbani Khar in Pakistan, Netumbo Nandi-Ndaitwah in Namibia oder Retno Marsudi in Indonesien. In einem Interview gab Baerbock selbst zu, dass das »feministische« Framing ihrer Außenpolitik gewählt wurde, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen. Hätte man sich auf Artikel 3 des Grundgesetzes, der unter anderem die Gleichheit von Mann und Frau regelt, berufen, hätte es niemanden interessiert. Ob diese dann wirklich richtig umgesetzt wird – egal, wie man gesehen hat.

Als Außenministerin hat sie Hygieneprodukte für Frauen in Kriegs- und Krisensituationen thematisiert und für Hygiene-Kits appelliert – zu Recht. »Als Frau weiß man, was man braucht, wenn man seine Tage hat oder ein Kind gebärt.« Wo bleiben jedoch diese Hygiene-Kits für die Frauen und Kinder in Gaza, fragt Frau sich. Annalenas Feminismus ist performativ, selektiv und nicht zuletzt überholt.

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