Kemmerich tritt aus der FDP aus

Nach 20 Jahren Parteimitgliedschaft »auseinanderentwickelt«

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Susanne Hennig-Wellsow (Linke) gratulierte Thomas Kemmerich 2020 nicht zur Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen, sondern warf ihm einen Blumenstrauß vor die Füße.
Susanne Hennig-Wellsow (Linke) gratulierte Thomas Kemmerich 2020 nicht zur Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen, sondern warf ihm einen Blumenstrauß vor die Füße.

Erfurt.  Thüringens Ex-Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich tritt aus der FDP aus. Er sei zu der Überzeugung gelangt, »dass sich meine Vorstellungen von der Zukunft unseres Landes und die inhaltliche Ausrichtung der Partei auseinanderentwickelt haben«, schreibt der 60-Jährige in einer Austrittserklärung an FDP-Chef Christian Dürr, die Kemmerich bei X verbreitete. Kemmerich bestätigte der dpa die Echtheit des Dokuments, wollte sich aber zunächst nicht weiter zu seinem Schritt äußern. Der Thüringer Vize-FDP-Landesvorsitzende Gerald Ullrich nannte diesen auf der Plattform X nachvollziehbar und kündigte seinen Rücktritt an.

Thomas Kemmerich erlangte bundesweite Bekanntheit, als er am 5. Februar 2020 überraschend mit Stimmen von CDU, AfD und FDP zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wurde. Bei der Wahl hatten AfD-Stimmen den Ausschlag gegeben – er hatte damit mehr Stimmen als Bodo Ramelow (Linke), der Ministerpräsident bleiben wollte.

Kemmerich nahm die Wahl an, konnte aber keine Regierung bilden und ernannte keine Minister. Die damalige Linke-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow warf ihm einen Blumenstrauß, der für Ramelow bestimmt gewesen war, vor die Füße. Thüringen stürzte damals in eine tiefe Regierungskrise. Nach bundesweiten Protesten und innerparteilichem Druck trat Kemmerich damals zurück. Seither galt seine Beziehung zur Bundes-FDP als belastet.

»Die FDP will eine starke freiheitliche Reformpartei sein und kein Nischenangebot. Angesichts der schlechten Bilanz der Bundesregierung ist offensichtlich, dass es das dringender braucht denn je«, sagte der FDP-Parteivorsitzende Christian Dürr zu dem Austritt Kemmerichs, der in der Partei zuletzt isoliert war. Dürr sagte: »Dass Thomas Kemmerich diesen Weg nicht mitgehen wollte, respektiere ich.«

Kemmerich lag seit der Thüringer Regierungskrise mit der Bundes-FDP im Clinch. In Thüringen konnte sich der Unternehmer aber an der Spitze der Freien Demokraten halten. Bei der Landtagswahl 2024 scheiterte die FDP mit ihm als Spitzenkandidat an der Fünf-Prozent-Hürde und ist seitdem nicht mehr im Parlament in Erfurt vertreten. Jüngste Umfragen zeigten keine Besserung, zuletzt wurde die FDP in Thüringen unter »Sonstige« einsortiert.

Der in Aachen geborene Kemmerich ist Unternehmer und führt in Thüringen eine Friseur-Kette. Nach eigenen Angaben war er annähernd 20 Jahre Mitglied der FDP und zehn Jahre lang Landesvorsitzender. Außerdem saß er für die FDP mehrere Jahre als Abgeordneter im Thüringer Landtag und zwischenzeitlich im Bundestag. Kemmerich signalisierte in den vergangenen Jahren oft, dass er mit dem Kurs der FDP fremdelte, zudem galt er früh als Kritiker der Ampel-Koalition in Berlin. Zuletzt hatte sich Kemmerich mit der Ex-AfD-Vorsitzenden Frauke Petry gezeigt, die angekündigt hatte, eine neue Partei gründen zu wollen.

Für die Thüringer FDP kommt Kemmerichs Parteiaustritt plötzlich, aber nicht überraschend. Es sei bekannt gewesen, dass Kemmerich schon seit Längerem mit der Diskurskultur in der FDP haderte, sagte Landespartei-Vize Robert-Martin Montag. Dirk Bergner, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender der Thüringer FDP, sagte, er habe von dem Austritt aus den Medien erfahren. »Keine schöne Entscheidung, vor allem auch kein guter Stil, das nicht im Vorfeld zu kommunizieren«, sagte Bergner. Er sehe den Schritt aber als Chance, die Thüringer FDP neu aufzustellen. Der Landesvorstand will sich am Montag treffen.  dpa/nd

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