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NRW-Antidiskriminierungsgesetz: Linke sieht Nachbesserungsbedarf

Als erstes Flächenland will NRW mit einem eigenen Antidiskriminierungsgesetz Maßstäbe für andere Bundesländer setzen

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.
Die queere Bewegung fordert, dass das Grundgesetz in Artikel 3 auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung erwähnen soll
Die queere Bewegung fordert, dass das Grundgesetz in Artikel 3 auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung erwähnen soll

Der Mathematiklehrer, der Mädchen systematisch schlechter benotet als Jungen; der Polizist, der bei einer Verkehrskontrolle einen Autofahrer mit Migrationshintergrund ohne ersichtlichen Grund nach seiner ursprünglichen Herkunft fragt:

Geht es nach NRW-Familien- und Gleichstellungsministerin Josefine Paul (Grüne) sollen Menschen, die derartige leidvolle Erfahrungen machen, künftig einen Anspruch auf Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen das Land als Dienstherrn gerichtlich durchsetzen können. Diskriminierungen, die vom Staat selbst ausgehen, werden durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) des Bundes nicht abgedeckt. Dazu gehören laut NRW-Landesintegrationsrat etwa Racial Profiling oder Diskriminierung im Bildungsbereich. Und auch wenn Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verbietet, Menschen weder aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer politischen Einstellung oder einer Behinderung zu diskriminieren, sieht die Realität häufig anders aus.

Ministerin Pauls Entwurf eines Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) für NRW soll diese Schutzlücke schließen, zielt aber nur auf das Fehlverhalten von Landesbehörden ab – und nicht auf einzelne Mitarbeitende dort. Das ist mitunter auch ein Kritikpunkt, zumal es auch keine einheitlichen Statistiken über entsprechende Verdachtsfälle in NRW-Behörden gibt. Lediglich Einzelfälle seien zuletzt vom Innen-, Finanz-, Landwirtschafts- und Kommunalministerium gemeldet worden. Das Gesetz sieht nun vor, Anlaufstellen zu schaffen, wo Opfer von Diskriminierung ihre Vorfälle melden können.

Seit Jahren plädiert die außerparlamentarische NRW-Linke für ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene. Gegenüber »nd« begrüßt sie den aktuellen Entwurf, sieht aber deutlichen Nachbesserungsbedarf: »Der Gesetzentwurf sieht keine Beweislastumkehr vor«, sagt Dominik Goertz, stellvertretender Landessprecher der NRW-Linken. Von Diskriminierung Betroffene müssten so weiterhin selbst beweisen, dass eine Benachteiligung stattgefunden habe. »Das halten wir für unzureichend, weil der Nachweis struktureller oder institutioneller Diskriminierung oft kaum möglich ist.« Die Behörden sollten stattdessen nachweisen müssen, dass ihr Verhalten diskriminierungsfrei war.

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Dem widerspricht der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Patrick Schlüter. »Das geplante Landesantidiskriminierungsgesetz würde faktisch zu einer Beweislastumkehr führen und bei bloßen Vorwürfen bereits umfangreiche Prüfpflichten auslösen«, zitiert ihn die »Rheinische Post«. Wörtlich heißt es im Gesetzesentwurf, der der »Rheinischen Post« vorliegt: »Die vorgesehene Beweislastregel erfordert von der klagenden, eine Diskriminierung behauptenden Partei lediglich den Beweis von Indizien, die eine Benachteiligung (…) vermuten lassen«, und weiter: »Gelingt der Indizienbeweis, trägt der andere Teil die Beweislast dafür. Die Beweislast wird insoweit also umgekehrt.«

Dass das LADG erst einmal nur für Landesbehörden und nicht für kommunale Behörden gilt, findet die Linke falsch und fordert, kommunale Behörden zu inkludieren. »Wir halten es für einen Fehler, gerade den Bereich, in dem Menschen am häufigsten mit Behörden in Berührung kommen, nicht zu berücksichtigen.« Zusätzlich dazu fordert die Linkspartei unabhängige und kostenfreie Ombudsstellen, die Betroffene bei Beratung und rechtlicher Durchsetzung unterstützen. »Andernfalls drohen Hürden für Menschen, die ohnehin durch Diskriminierung belastet sind.«

Kritiker, die meinen, dass Diskriminierung durch Landesbeamte offenbar kein Problem sein könnte, werfen Paul vor, mit dem Vorhaben neue Bürokratie und Rechtsunsicherheit zu schaffen. Nur in Berlin gibt es noch ein Antidiskriminierungsgesetz. Auch dort ist die in bestimmten Fällen greifende Beweislastumkehr ein Streitpunkt.

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