- Politik
- Klimaschutz
Pariser Abkommen: Gebrochenes Versprechen an die Menschheit
Das Übereinkommen von Paris hat zum Ziel, die Erderwärmung zu bremsen. Am Freitag jährte es sich zum zehnten Mal.
»Ich höre keinen Einspruch. Damit ist das Pariser Klimaabkommen angenommen.« Noch bevor Laurent Fabius, damals französischer Außenminister und Präsident der Weltklimakonferenz, den Satz beenden kann, ertönt lautes Jubeln im Saal auf dem Pariser Messegelände Le Bourget. Es gibt Standing Ovations, einige der Minister*innen fallen sich sogar in die Arme.
Die Begeisterung vor genau zehn Jahren war begründet: Das Klimaabkommen war verabschiedet, der völkerrechtliche Vertrag zur »Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels«.
Erstmals hatten damit nahezu alle Länder der Welt zugesagt, die Erderwärmung über freiwillige, selbst gewählte Ziele – sogenannte Nationally Determined Contributions – bei deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten, mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius. Vor der Weltklimakonferenz in Paris hatten sich überhaupt nur 37 Länder dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. So schrieben die 195 Vertragsstaaten des Paris-Abkommens am 12. Dezember 2015 Geschichte.
»Bislang sind wir gescheitert«
»Das Pariser Klimaabkommen war nicht nur ein klimadiplomatischer Plan, es war vor allem auch ein Versprechen an die Menschheit, alles in der Macht Stehende zu tun, um die Klimakrise einzudämmen«, kommentiert Carla Reemtsma von Fridays for Future das historische Ereignis diese Woche bei einem Medientermin.
Tatsächlich zeigt das Paris-Abkommen eine gewisse Wirkung. Ein Jahr nach Inkrafttreten steuerte die Welt noch auf 3,4 Grad Erwärmung zum Ende des Jahrhunderts zu, wie der damalige »Emissions Gap Report« der UN ergab. Heute ist es immerhin rund ein Grad weniger. Zudem stagnieren erstmals die CO₂-Emissionen beim größten Emittenten China. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet schneller voran als erwartet.
Doch spätestens als André Corrêa do Lago, Präsident der diesjährigen Klimakonferenz im brasilianischen Belém, wieder nicht den Ausstieg aller Vertragsstaaten aus Kohle, Öl und Gas verkünden konnte, drängte sich die Frage auf: Kann das Pariser Klimaabkommen sein Versprechen wirklich halten?
»Bislang sind wir gescheitert«, sagt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, bei dem Medientermin. »Die Emissionen steigen weiter an. Die globale Erwärmung beschleunigt sich.«
2024 war zudem das erste Jahr seit Beginn der Messungen, in dem die globale Durchschnittstemperatur mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau lag. Und nach jüngsten Hochrechnungen steuern die Staaten mit ihren aktuellen Gesetzgebungen, Technologien und Entscheidungen sogar auf 2,3 bis 2,5 Grad Erderwärmung zu, wie der Emissions Gap Report 2025 zeigt.
Die Folgen der Temperatursteigerung sind bekannt und gut erforscht – vor allem nimmt die Häufigkeit extremer Wetterereignisse zu. Laut einer Analyse der internationalen Forschungsgruppe World Weather Attribution erhöhte der Klimawandel beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für einen Hurrikan wie Melissa, der jüngst durch die Karibik fegte, um das Vierfache. Und je höher die Temperaturen steigen, desto mehr Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen wird es geben. »Das muss und kann vermieden werden«, sagt Rockström. »Die Lösungen sind längst verfügbar und ließen sich skalieren.«
Dafür müssten die Vertragsstaaten des Paris-Abkommens laut dem Klimaforscher vier Dinge tun: schneller aus den fossilen Brennstoffen aussteigen, das Ernährungssystem umstellen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und die Natur an Land und im Meer schützen und wiederherstellen. So könnte die Erwärmung noch auf etwa 1,7 Grad begrenzt und bis zum Jahr 2100 wieder auf 1,5 Grad zurückgeführt werden, erklärt Rockström.
An Wissen fehlt es nicht
Der Grund, warum die Klimaziele verfehlt werden, liegt nicht in mangelnden Methoden zur Bekämpfung der Erderhitzung, wie Klimaaktivistin Reemtsma betont. Stattdessen sei es die Kohle-, Öl- und Gas-Lobby, die sich gegen den Klimaschutz durchsetze.
»Und der Widerstand der fossilen Lobby ist ungebrochen«, ergänzt Luisa Neubauer von Friday for Future. »Wir erleben gerade, wie es nicht mehr nur um nette Ankündigungen geht, hinter denen sich alle vereinen, sondern wie auf einmal gerungen wird. Darum, wer gewinnt, wer sich durchsetzen kann bei der Frage, ob es am Ende mehr Profite für fossile Konzerne gibt oder ob man Menschen vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise schützt.«
Ein Beispiel für das Ringen um die Oberhand war die Entscheidung gegen den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas auf der Weltklimakonferenz in Belém. Während mehr als 80 Staaten bereit waren, dies zu beschließen, setzten sich am Ende die öl- und gasfördernden Staaten durch. Um künftig gegen die fossile Lobby bestehen zu können, müssten also Vorreiter wie die EU strategische Allianzen mit anderen Ländern schmieden.
Vor wenigen Tagen hat die brasilianische Regierung sogar angekündigt, bald einen Rahmen für den nationalen Ausstieg aus Gas und Öl vorzulegen. »Deutschland und die EU sollten nun die ärmeren Länder, die mitmachen wollen, dabei unterstützen, ähnliche Fahrpläne auf den Weg zu bringen«, sagt Christoph Bals von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Zudem sollten diese Länder die Chance ergreifen und das neue Geschäftsmodell mit erneuerbaren Energien und Co strategisch zum gemeinsamen Vorteil aufbauen.
Das Versprechen des Pariser Klimaabkommens, durchgängig unter dem 1,5-Grad-Limit zu bleiben, werden die Vertragsstaaten also vermutlich nicht einhalten können. Doch weiterzukämpfen lohne sich immer, sagt Luisa Neubauer. »Denn nur weil wir nicht alles gewonnen haben, haben wir nicht alles verloren.«
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.