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Zeitfahr-Gala eröffnet historische Radsport-WM in Afrika
Zum Auftakt der Straßen-WM in Ruanda gibt es Zeitfahrsiege für Reusser und Evenepoel
Die Straßenradweltmeisterschaften in Ruanda begannen mit zwei sportlichen Paukenschlägen. Die Schweizerin Marlen Reusser gewann das Zeitfahren der Frauen mit fast einer Minute Vorsprung vor der Zweitplatzierten Anna van der Breggen. Das war auf dem 31,2 Kilometer langen Kurs tatsächlich eine Hausmarke. Noch überlegener gestaltete Remco Evenepoel das Männerrennen über 40,6 Kilometer. Auf dem Pflasterstein-Abschnitt zwei Kilometer vor dem Ziel holte er sogar den zweieinhalb Minuten vor ihm gestarteten Favoriten Tadej Pogačar (Slowenien) ein und gewann überlegen.
Während Evenepoel bei seiner Siegerpose mit drei ausgestreckten Fingern auf seinen dritten WM-Sieg hintereinander in dieser Disziplin hinwies, war Reusser eine überglückliche Novizin. »Ich bin ja als Zeitfahrspezialistin in diesen Sport gekommen, habe auch viele Siege eingefahren in dieser Disziplin und große Fahrerinnen besiegt. Aber bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften wollte es bisher nicht klappen. Es war eine harte Knacknuss«, führte sie eine deutsche umgangssprachliche Wendung in Afrika ein.
Die andere, die größere Knacknuss, war der Veranstaltungsort der WM selbst. 125 Jahre brauchte der Weltverband UCI, um sein Hauptevent, die WM, nach Afrika zu bringen. 2021 fiel die Entscheidung für den Ausrichter Ruanda. Es war eines der frühen Amtsversprechen von UCI-Präsident David Lappartient. Dass er es jetzt eingehalten hatte, daran erinnerte der Franzose natürlich.
Für Ruanda bedeutet die WM auch einen großen Schritt. »Sport spielt eine wichtige Rolle für uns. Er war einer der Pfeiler im Aufbau einer neuen Gesellschaft nach dem Genozid 1994 und ist jetzt auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor«, sagt Sportministerin Nelly Mukazayire. Ruanda investiert in den Sport, wie das auf 45 000 Plätze erweiterte Amahoro-Stadion und die gleich daneben gelegene BK Arena mit 10 000 Indoor-Plätzen beweisen. Nur ein paar Kilometer entfernt soll eine Formel-1-Rennstrecke entstehen. »Ja, wir haben uns dafür beworben«, bestätigte Mukazayire.
Und jetzt ist die Rad-WM hier. Sportlich eröffnet wurde sie in der BK Arena auch von einer einheimischen Athletin. Xaverine Nirere fuhr als erste von der Startrampe herunter. Natürlich sei sie aufgeregt gewesen, sagte sie später. Aber sie war auch glücklich und ließ sich voranpeitschen von den Jubelrufen der Fans. Sie kam auf einen guten 27. Rang unter 44 Starterinnen, wurde als Erste von der Rampe auch Beste aller afrikanischen Starterinnen. Ernsthaft begonnen mit dem Radsport hat sie übrigens zu Corona-Zeiten, als Schülerin damals noch. »Während der Pandemie waren die Schulen geschlossen, ich hatte also viel Zeit für den Radsport«, sagte sie fröhlich. Jetzt fährt sie für ein kenianisches Team und hofft, in nicht allzu langer Zeit auch an europäischen Rennen teilzunehmen – vielleicht sogar an der Tour de France.
Ihre Landsfrau Diane Ingabire ist auf diesem Weg sogar schon einen halben Schritt weiter. Sie ist im Nachwuchsteam des deutschen Rennstalls »Canyon SRAM zondacrypto« unter Vertrag und peilt die ganze Palette der großen Rennen, von Tour über Giro bis Vuelta, an. Die WM in Ruanda kann dazu beitragen, dass solche Wünsche nicht mehr nur als exotisch oder ambitioniert gelten, sondern Radsportkarrieren afrikanischer Sportlerinnen und Sportler als normal angesehen werden.
Noch allerdings besetzten Athleten und Athletinnen aus Europa die vorderen Ränge. Hinter der Schweizerin Reusser belegten die Niederländerinnen Anna van der Breggen und Demi Vollering die anderen beiden Podiumsplätze. Bei den Männern waren zwei Europäer auf dem Podium. Der Belgier Evenepoel gewann vor dem Australier Jay Vine und seinem belgischen Teamkollegen Ilan Van Wilder, der sogar Superstar Tadej Pogačar noch auf den vierten Rang verdrängte.
Für die beste deutsche Platzierung sorgte Antonia Niedermaier mit Platz 6 bei den Frauen. Miguel Heidemann wurde 17. bei den Männern. Am Montag stehen die Zeitfahren bei Frauen und Männern in der U23-Kategorie an, Dienstag folgen Juniorinnen und Junioren. Das Wochenende ist den Straßenrennen vorbehalten.
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