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Trump, Merz und AfD: Linke Lethargie
Warum wird linke Politik immer schwächer?
Sie hatten Glück im Unglück. Das Unglück hieß Corona, und das Glück war die Abwahl Donald Trumps Ende 2020. Denn in den USA werden Wahlen mittels Blick in den Geldbeutel entschieden. Das Virus und die nachfolgende Rezession beendete Trumps erstes Gastspiel im Weißen Haus.
Doch in der Freude über Joe Bidens Sieg übersahen dessen Anhänger etwas Wichtiges. Im Krisenjahr 1992 war es Bill Clinton gelungen, auch Hochburgen der Konkurrenz zu schleifen. Joe Biden konnte lediglich die »Swing States« zurückerobern. In der Hälfte der Bundesstaaten behielt Trump die Oberhand.
Die Democrats hätten also gewarnt sein müssen. Doch sie verschlossen die Augen, wie bereits 2016. Seinerzeit hatten sie den überraschenden Wahlsieg Trumps als Betriebsunfall abgetan. Mantramäßig beschworen sie, dass Trump keine vier Jahre durchhalten werde.
Worauf die Democrats verzichteten: eine Analyse, warum es nicht gelungen war, Arbeiter und kleine Angestellte für sich zu gewinnen. In Regionen, die wirtschaftlich abgehängt worden waren, hatte Trump triumphiert. Dabei hätte man sich nur Clintons Wahlkampfslogan von 1992 vergegenwärtigen müssen: »It’s the economy, stupid!« (»Es kommt auf die Wirtschaft an, Dämlack!«) – aber lieber betrieb man Symbolpolitik für die Profiteure der New Economy.
Kommt Ihnen das bekannt vor? In Deutschland hat eine ähnliche Entwicklung stattgefunden. Bei der Bundestagswahl 1998 konnte Rot-Rot-Grün rund 53 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. 2025 kam man zusammen auf knapp 37 Prozent. Eine linke Mehrheit scheint unerreichbar zu sein.
Angesichts derart verheerender Zahlen müssten Linke sich fragen, was da schiefgelaufen ist. Warum haben sich SPD-Hochburgen wie Gelsenkirchen braun verfärbt? Wieso verlor die Linkspartei ihren Status als Fürsprecher benachteiligter Ostdeutscher an die AfD? Weshalb gelingt es den Grünen nicht, in wirtschaftlich schwachen Regionen zu punkten?
Doch SPD, Grüne und Linkspartei stellen sich solche Fragen nicht. Lieber demonstrieren ihre Mitglieder vor Wahlen fleißig gegen rechts (auf Facebook werden dann die entsprechenden Fotos stolz gepostet) und merken nicht, dass sie damit nur die eigene Blase bedienen.
Nach der Wahl hebt dann das Wehklagen an, weil die AfD trotz all der Demos schon wieder stärker geworden ist. Natürlich geloben die linken Parteien, sie würden das Wahlergebnis »gründlich analysieren«. Bloß erfährt man vom Ergebnis dieser Analyse nie etwas.
Stattdessen betreibt man Sozialkosmetik. Man hübscht Hartz IV zum »Bürgergeld« auf und schminkt den Mindestlohn auf Inflationsniveau. Es ist diese Art von Politiksimulation, die die Glaubwürdigkeit linker Parteien nach und nach zersetzt.
Die sozial Benachteiligten sind nämlich arm, aber nicht blind. Sie registrieren sehr wohl, wer Anteilnahme nur heuchelt. Sie bekommen mit, dass ständig von Gaza die Rede ist, nie jedoch von Halle (Saale), Mansfeld-Südharz und den anderen abgehängten Gegenden. Und dass viele Linke zwar ein Herz für Palästinenser, aber nicht für Proletarier haben, wird ihnen bei Demonstrationen in deutschen Städten Woche für Woche vor Augen geführt.
So lernen die Armen der Republik auf die harte Tour, dass sie keine Lobby haben. Das ist in Amerika nicht anders als hierzulande. Joe Biden hatte vier Jahre Zeit, die Menschen vom Gegenteil zu überzeugen. Doch an das Großkapital und größenwahnsinnige Milliardäre wie Elon Musk traute sich seine Regierung nicht ran. Die Strafe folgte im November 2024. Die US-Demokraten mussten erfahren: Man sollte sein Glück nicht überstrapazieren.
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