Sanktionen: Zu bequem für Ibiza

Andreas Koristka und 86 Prozent der Deutschen wissen, was unser Land voranbringt

  • Andreas Koristka
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch kein Anreiz für einen Job im Management bei Uber: Nudeln ohne alles
Auch kein Anreiz für einen Job im Management bei Uber: Nudeln ohne alles

Oft hört man die irrige Annahme, das Land sei gespalten. Jetzt wurde das Gegenteil bewiesen: Laut dem Deutschland-Monitor der Bundesregierung stimmen 86 Prozent der Deutschen der Aussage zu, dass es härtere Sanktionen für Bürgergeldempfänger geben sollte. Das beweist, dass das unbändige Arbeitsethos unser Land immer noch eint. Niemand soll sich drücken, wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg des Vaterlandes geht. »Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern frage, was der Staat gegen Bürgergeldempfänger tun kann« – das ist das kraftvolle Motto unserer Zeit. Denn Deutschland wäre heute nicht die weltweit geachtete Gewinnernation, wenn sich unsere Ahnen in ihre Plattenbauwohnungen zurückgezogen hätten, um dort das Analogfernsehen zu verfolgen und billiges Dosenbier zu trinken.

Wenn sich alle in dieser Frage so einig sind, dann sollte es jetzt also mit den Sanktionen losgehen. Als erste universelle Strafmaßnahme sollten die Pfandpreise reduziert werden. Danach kann man den Leuten öffentlich die Fußnägel ausreißen, sie auspeitschen lassen oder sie wenigstens verpflichten, sich eine vernünftige Frisur schneiden zu lassen.

Andreas Koristka
Autorenfoto von Andreas Koristka am Donnerstag, den 10. Oktober ...

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Denn je mehr Sanktionen es gibt, desto mehr steigt die Motivation der Menschen, etwas an ihrer Lage zu ändern. Wenn man sich jeden Tag Nudeln mit Ketchup leisten kann und dafür keine Strafe erhält, dann sieht man sich eben nicht dazu veranlasst, einen Haufen Geld zu verdienen, um sich einen Privatkoch, einen Lamborghini und ein Ferienhaus auf Ibiza leisten zu können. Das ist nur menschlich – Menschen sind bequem.

Während sie träge die leckeren Nudeln verschlingen, lassen Bürgergeldempfänger die vielen günstigen Gelegenheiten liegen, die sich ihnen bieten: lukrative Cum-Ex-Geschäfte, Provisionszahlungen für Maskendeals oder Lobbyarbeit für Nestlé – nie hat ein Bürgergeldempfänger mit solchen Aktivitäten auch nur einen müden Cent verdient! Und genau da muss man ansetzen – notfalls mit richtig harten Bandagen! Bürgergeldempfängern, die nicht bereit sind, einen Dax-Konzern zu leiten, gehören eigentlich mindestens die Hände abgeschnitten. Es darf keine billigen Ausreden mehr geben. Wenn sich die Arbeit als Uber-Fahrer nur dann rechnet, wenn man sein Gehalt vom Amt aufstocken lässt, dann zeigt das nur, dass die meisten Menschen einfach zu faul sind, viel mehr Geld dort zu verdienen, wo man sich solche innovativen Arbeitskonzepte ausdenkt – beispielsweise im Uber-Management.

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Sanktionen setzen hier die richtigen Anreize. Unser gesellschaftliches Ziel sollte es sein, bis 2030 die fünf Millionen Bürgergeldempfänger durch gezielte Sanktionen in ein gesichertes Arbeitsverhältnis im Uber-Management zu bringen. Nur dort wären sie vor unserem gerechten und fast einhelligen Volkszorn geschützt. Denn wer sich innovative Arbeitskonzepte für prekär Beschäftigte ausdenkt, der schafft viel mehr für unser Land, als es ein prekär Beschäftigter jemals tun könnte.

Denken Sie daran, wenn Sie mit Fackeln in der Hand und mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit den nächsten Faulenzer aus seinem Hartzerloch prügeln: Sie tun es für 86 Prozent der Deutschen!

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