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Gaza-Frieden: Schwierige Verhandlungen im Badeort
In Ägypten wird über die Zukunft des Gazastreifens gesprochen – ohne Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah
Die Gespräche im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheikh hatten gerade erst begonnen, als die ersten Vertreter der Verhandlungspartner bereits die Runde machten, Journalisten erzählten, dass sich niemand Hoffnung auf ein baldiges Ergebnis machen sollte.
Denn der Druck ist enorm: US-Präsident Donald Trump fordert öffentlich eine schnelle Einigung. Das Problem: Jene, die die Verhandlungen tatsächlich führen, machen das schon seit vielen Jahren, haben allein während dieses Krieges Hunderte Gespräche geführt. Tatsächlich wird bereits seit Kriegsbeginn im Oktober 2023 nahezu ununterbrochen verhandelt, ein mühsamer Prozess, der ganz anders ist, als man das aus dem Fernsehen kennt.
Umständliche indirekte Gespräche
Zunächst einmal befinden sich die Gesprächspartner nicht im selben Raum, möglicherweise nicht mal im gleichen Gebäude. Die Verhandler hören sich also die Positionen an, machen Vorschläge, überbringen sie den anderen. Und zwischendrin müssen dann alle mit ihren eigenen Leuten reden: Die Israelis mit ihrem Regierungschef, dem Sicherheitskabinett, der Militärführung und vor allem den Chefs der Geheimdienste. Die Leute von der Hamas mit dem Politbüro, dessen Mitglieder in Katar und der Türkei sitzen, mit der Führung der Ezzedin-Al-Qassam-Brigaden und auch mit den Chefs von verbündeten Gruppen wie dem Islamischen Dschihad.
Man müsse sich darauf einrichten, dass das alles mindestens Tage, möglicherweise Wochen dauern werde, sagte eine namentlich nicht genannte Quelle der Nachrichtenagentur Reuters. Denn auf eines haben sich Israels Regierung und die Hamas bereits geeinigt: Man spricht jetzt sofort über die schwierigen Punkte und verschiebt sie nicht, wie bisher, auf später. Denn daran sei es in den vergangenen beiden Jahren immer wieder gescheitert.
Palästinenser fordern Mitsprache
Nicht dabei ist in den Verhandlungen die von mittlerweile einem Großteil der Uno-Mitgliedsstaaten anerkannte Regierung Palästinas. Präsident Mahmud Abbas durfte im September nicht einmal zur UN-Generaldebatte nach New York reisen: Die US-Regierung hatte ihm ein Visum verweigert. Auch von Trumps 20- Punkte-Plan sei man ziemlich überrascht worden, sagt Abbas’ Sprecher Nabil Abu Rudeineh.
Dennoch stellte sich die palästinensische Führung in einer über die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa verbreiteten Stellungnahme vorsichtig hinter den Plan, allerdings mit einem deutlichen Zungenschlag: Man betont ein Mitspracherecht der Palästinenser bei der Führung des Gazastreifens.
Aussicht auf Parlamentswahlen
Parlamentswahlen sollen ein Jahr nach Kriegsende stattfinden, allerdings nur unter Beteiligung von Parteien, die die Werte der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) teilen und sich zum Gewaltmonopol der Regierung bekennen. Abbas’ Amtszeit ist bereits 2009, die des Parlaments 2010 ausgelaufen. Wahlen wurden seitdem vielfach angekündigt, aber niemals durchgeführt. Unmittelbar nach Verhandlungsbeginn sorgte die Hamas zudem für eine Überraschung: Sie ließ durchsickern, dass sie die Freilassung von Marwan Barghuti fordert.
Barghuti war Generalsekretär von Abbas’ Fatah-Fraktion im Westjordanland; seit 2004 ist er in Israel wegen Beteiligung an mehreren Terroranschlägen inhaftiert. In der palästinensischen Gesellschaft ist er extrem beliebt und gilt als Anwärter auf die Präsidentschaft. Ihn freizubekommen, wäre also für die Hamas ein enormer Erfolg, der noch schwerer wiegen würde, weil Abbas extrem unbeliebt ist. Im April hatte der diktatorisch regierende Abbas Hussein Al-Scheikh zu seinem Stellvertreter und damit auch wahrscheinlichen Nachfolger ernannt. In den Verhandlungen in Scharm El-Scheikh entscheidet sich auch, ob er diesen Plan so umsetzen kann.
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