Mehr als ein Fehlstart für die Berlin Volleys

Der Rekordmeister verpatzt den Saisonauftakt in der Bundesliga gegen Friedrichshafen

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 4 Min.
Gegen Friedrichshafen war die Blockabwehr der Berlin Volleys oft viel zu löchrig.
Gegen Friedrichshafen war die Blockabwehr der Berlin Volleys oft viel zu löchrig.

Es gibt Niederlagen im Sport, die sich schnell abhaken lassen – etwa wenn ein auf Schlüsselpositionen verändertes Team im wenig entscheidenden ersten Saisonspiel noch nicht so harmoniert wie erhofft. Und es gibt Niederlagen, die länger weh tun – zum Beispiel, wenn ein angereister ewiger Rivale vor den heimischen Fans kompromisslos die Schwächen der heimischen Mannschaft aufdeckt und eigentlich in allen Belangen überlegen ist.

Für die Berlin Volleys dürfte sich die Auftaktpleite gegen den VfB Friedrichshafen anfühlen wie eine Mischung aus beidem. Tatsächlich gab es am Dienstagabend vor 6078 Fans in der Max-Schmeling-Halle viele einfache Abstimmungsfehler, die mit mehr gemeinsamer Spielzeit abgestellt werden können. Gleich mehrfach fühlte sich bei den Volleys nach der Annahme niemand für den zweiten Ball zuständig, sodass sich sechs Berliner fragend ansahen, während das Spielgerät ganz langsam auf dem Boden auftitschte. »Es ist noch der Anfang der Saison, da muss sich alles noch finden«, vertrat Nationalspieler Moritz Reichert dann auch die Sicht einer nicht allzu schmerzhaften Niederlage.

Mangelnde Präzision im Zuspiel

Doch es gab auch Momente im Spiel der Volleys, die mehr Anlass zur Sorge geben, weswegen Berlins Trainer Joel Banks nach der Partie auch von einem »Realitätscheck« für sein Team sprach. Wirklich gut funktionierte gegen Friedrichshafen nur die Annahme. Bei eigenem Aufschlag, in der Blockabwehr und insbesondere im Angriffsspiel offenbarte der Rekordmeister dagegen einige Probleme.

Dem neuen Volleys-Spielmacher Fedor Ivanov mangelte es am Dienstag wiederholt an Präzision. Die Zuspiele auf Jake Hanes, den wichtigsten Angreifer der Volleys und besten Spieler der vergangenen Bundesliga-Saison, kamen oft so ungenau, dass der US-Amerikaner seine Angriffsschläge nicht voll durchziehen konnte oder sogar komplett abbrechen musste. Die Folge waren kaum einfache Punkte für die Volleys, die Friedrichshafen so immer wieder einluden, in die Ballwechsel zurückzukommen.

Am Netz klafft eine große Lücke

Die ersten beiden Sätze gaben die Hauptstädter mit 18:25 und 21:25 ohne größere Gegenwehr ab. Schon Ende des zweiten Durchgangs reagierte Joel Banks auf die blutleere Vorstellung seiner Mannschaft und brachte Nehemiah Mote für Mittelblocker Matthew Knigge und Sommerneuzugang Nolan Flexen für den schwachen Volleys-Kapitän Ruben Schott. Der 23-jährige Flexen hauchte den Volleys mit seiner beeindruckenden Sprung- und Schlagkraft im dritten Satz dann tatsächlich neues Leben ein. Auch die Berliner Fans bäumten sich noch einmal gegen die Niederlage auf. Doch weil die Volleys vier eigene Satzbälle nicht nutzen konnten, holten sich die reifer wirkenden Friedrichshafener mit 34:32 auch den dritten Satz.

Die fehlende Konstanz in Schlüsselmomenten war schon in der vergangenen Saison ein Dauerthema bei den Volleys, das die Berliner auch in dieser Spielzeit wieder zu begleiten scheint. Bei der Pleite gegen Friedrichshafen, dem ersten verlorenen Bundesliga-Heimauftakt seit sieben Jahren, wurde außerdem deutlich, wie groß die Lücke ist, die die Nationalspieler Johannes Tille und Tobias Krick mit ihren Abgängen im Sommer hinterlassen haben.

Anfangsnervosität oder mehr?

Während Krick in den vergangenen zwei Jahren mit seinen 2,13 Metern das Herzstück der Berliner Blockverteidigung war, glänzte Tille seit 2022 als zuverlässiger Zuspieler mit einem starken Aufschlag. Ohne diese beiden Säulen wirkt der Volleys-Kader weniger ausbalanciert als in den vergangenen Spielzeiten. Im Mittelblock fehlt ein absoluter Defensivspezialist, dagegen gibt es im Außenangriff mit den Nationalspielern Schott und Reichert sowie den aufstrebenden Nolan Flexen und Simon Plaskie ein Überangebot. Und im Zuspiel steht hinter dem 25-jährigen Ivanov nur noch der 20-jährige Arthur Wehner zur Verfügung.

Der gebürtige Dresdner gilt zwar als großes deutsches Talent. Von Wehner zu erwarten, die Volleys-Offensive zu stabilisieren, falls Starter Ivanov wie gegen Friedrichshafen Probleme hat, wäre aber sicher zu viel verlangt. Vielleicht verzichtete Joel Banks am Dienstag auch deswegen auf einen Wechsel auf der Zuspieler-Position, obwohl Ivanovs Leistung das durchaus gerechtfertigt hätte.

Nach dem Spiel stellte sich der Trainer schützend vor seine Spieler. »Wir sind mit viel Erwartungsdruck ins Spiel gegangen«, erklärte der 50-Jährige. Danach habe es sein Team einfach versäumt, die Kontrolle zurückzugewinnen. Schon das nächste Duell am Freitag in Düren wird Aufschluss darüber geben, ob die Anfangsnervosität wirklich das größte Problem der Volleys war.

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