Zohran Mamdani: Mietendeckel in New York?

Kostenlose Kitas, Gratis-Busse und Einfrieren von Mieten: Welche Versprechen Mamdani einhalten könnte

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 6 Min.
Zwei Millionen New Yorker leben in Wohnungen, deren Mieten bereits in gewissem Umfang reguliert sind. Ein Einfrieren dieser Mieten halten viele Fachleute für machbar.
Zwei Millionen New Yorker leben in Wohnungen, deren Mieten bereits in gewissem Umfang reguliert sind. Ein Einfrieren dieser Mieten halten viele Fachleute für machbar.

Am Dienstag standen im New Yorker Stadtteil Harlem viele Menschen vor einem Wahllokal Schlange. Ganz in der Nähe standen ebenfalls viele Menschen an, vor einer Stelle, die Essensspenden ausgibt. Beide Schlangen waren lang. Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung über den neuen Bürgermeister der Stadt war so hoch wie noch nie seit 50 Jahren: Rund zwei von 4,5 Millionen Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben, die meisten für den demokratischen Sozialisten Zohran Mamdani. Fast ebenso viele New Yorker, nämlich 1,8 Millionen Einwohner, benötigen die von der Bundesregierung finanzierten Essensmarken, um an ihr tägliches Brot zu gelangen. Manche kommen bereits um vier Uhr morgens zu den Lebensmittelstellen, damit sie nicht leer ausgehen.

Seit dem 1. November zahlt die Trump-Regierung die Subventionsgelder für das Essensprogramm SNAP allerdings nicht mehr aus, angeblich wegen des Shutdowns in Washington. Der Bundesstaat New York erklärte daraufhin einen Notstand, ebenso wie Louisiana und Virginia. Wenn Trump nicht zahlt, hat New York im November 650 Millionen Dollar weniger für die Armenversorgung; der enorme Ausfall ist kurzfristig nicht zu ersetzen. Ein Bundesrichter in Rhode Island urteilte inzwischen, dass die Trump-Regierung eine bereits bestehende Notfinanzierung verwenden muss, um zumindest die Hälfte der Gelder auszuzahlen. Trump entgegnete zuerst auf seiner Plattform »Truth Social«, dass er nur dann die Gelder auszahle, wenn die radikalen, linken Demokraten den Shutdown beenden. Im Klartext: Sie sollen Vorhaben der Republikaner akzeptieren. Doch ruderte seine Regierung später zurück und wird wohl den Beschluss akzeptieren. Im Schnitt bekommen SNAP-Empfänger 177 Dollar pro Person und Monat.

Bundesangestellte müssen zu Tafeln

Solche Zustände haben den Aufstieg von Mamdani beflügelt, der am Dienstag mit über 50 Prozent der Stimmen zum neuen Bürgermeister gewählt worden ist. Noch nie waren die Ängste der Mittelklasse und die Nöte der Armen derart nah beieinander. Der 41-jährige Harlemer Geschäftsmann Kenneth Nelson erzählte der »New York Times«: Als er beladen mit eigenen Lebensmitteleinkäufen zum Wahllokal spazierte und dann die Menschen vor einer Essenstafel sah, habe er sich endgültig entschieden, seine Stimme Mamdani zu geben. Selbst eine bezahlte Helferin aus dem Wahlkampfteam von Andrew Cuomo, dem von Großspendern unterstützen und unterlegenen Bürgermeister-Kandidaten, erzählte: Sie habe erwogen, Mamdani zu wählen. Denn auch ihre elektronische Essensmarken-Karte war seit Anfang des Monats leer und sie konnte ihre zwei 13-jährigen Jungs nicht versorgen. Laut »Washington Post« berichten beurlaubte und daher unbezahlte Bundesangestellte, dass auch sie inzwischen zu einer Essenstafel gehen – für die sie früher gespendet hätten.

Die New Yorker Mittelklasse hat nicht dieselben Probleme wie die Armen, doch offenbar befürchten beide Gruppen dauerhafte finanzielle Not. So konnte ein noch vor einem Jahr völlig unbekannter 34-jähriger Politiker mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung hinter sich versammeln. Zuvor war er von der Demokratischen Partei nominiert worden, auch bei dieser Vorwahl unterlag Cuomo.

Die mittlere Miete für eine Zwei-Zimmer-Wohnung beträgt 2367 Dollar.

Für die New Yorker geht es um das Notwendigste: Essen, Obdach, Transport zur Arbeit, Kinderbetreuung. Hier hat Mamdani sein Hauptversprechen gegeben: Das Leben in der Stadt soll wieder bezahlbar werden. Seine Ideen sind weniger umwälzend, sondern vielmehr neuartig für die USA. So versprach er, dass Busse »fast and free« (schnell und kostenlos) werden sollen. Das würde circa 700 Millionen Dollar pro Jahr kosten. Auch das Einfrieren von Mieten, die bereits in gewissem Umfang reguliert sind, trauen ihm viele Fachleute zu, schließlich wohnen zwei Millionen New Yorker in solchen Wohnungen. Der abgewählte Bürgermeister Eric Adams gestattet regelmäßig Mieterhöhungen, sein Vorgänger Bill de Blasio hielt die Mieten hingegen eher stabil. Eine kostenlose Kindergartenbetreuung, die ebenfalls Mamdani verspricht, wäre ein größerer Posten, aber Mamdani hat sich um gute Beziehungen zur Gouverneurin des Bundestaats New York, Kathy Hochul, bemüht. Auch darum sind die Hoffnungen auf einen Deal groß, auch wenn Hochul von einer Steuererhöhung zur Gegenfinanzierung nichts wissen will.

Das Essensmarken-Programm SNAP ist die größte Initiative der USA gegen das Hungern von Menschen, es sichert die Ernährung von 42 Millionen Amerikanern. Bis zu Trumps Zahlungsverweigerung konnte man nicht behaupten, dass der US-Staat nichts gegen die Bekämpfung von Hunger getan hat. So gesehen sind die rund fünf städtischen Lebensmittelläden, die Mamdani für New York City vorschlägt, keine Revolution.

Trumps Kampf gegen Kinder

Doch die Trump-Regierung tut alles, um die letzten Reste von Franklin D. Roosevelts New Deal zur Strecke zu bringen, indem er die Finanzierung einiger der von ihm sogenannten »Democrat Programs« seit fast einem Jahr in Frage stellt oder bereits zeitweise gestoppt hat. Dazu gehört nicht nur SNAP, sondern auch das frühkindliche Bildungsprogramm »Head Start«, das Kleinkinder in Großstädten mit Essen und Bildung versorgt. In den letzten Wochen mussten Einrichtungen des Bildungsprogramms in vielen Städten die Türen schließen, weil es seit Monaten von der Trump-Regierung ausgehungert wird. In Florida hat sich »Head Start« lange mit Krediten über Wasser gehalten, am Ende arbeiteten die Mitarbeiter umsonst, damit Familien eine Alternative suchen konnten.

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Die Mittelklasse in New York ist ebenso wie armutsbetroffene Menschen stark auf das Notwendige fokussiert, weil das Notwendige in New York sehr teuer ist. Seit der Pandemie ist die Inflation in der Stadt um 22,5 Prozent gestiegen. Das ist nicht unbedingt mehr als anderswo in Amerika, aber in New York sind insbesondere die Kosten gestiegen, die man nicht vermeiden kann. Beispielsweise sind dort die Steuersätze wesentlich höher als anderswo. Schulgeld und Kinderbetreuung sind sechs Prozent teurer als im letzten Jahr, Lebensmittel 3,5 Prozent und Miete vier Prozent. Gerade Wohnen ist schon seit Längerem sehr teuer. Inzwischen beträgt eine mittlere Miete für eine Zwei-Zimmer-Wohnung in New York 2367 Dollar. Zum Vergleich: Im US-Durchschnitt sind es 1231 Dollar. Kapitalverbrechen wie Mord sind seit der Pandemie in der Stadt wieder weniger geworden, die Kleinkriminalität ist hingegen im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit um 20 Prozent gestiegen. Womöglich hat dies auch etwas zu tun mit den extrem hohen Lebenshaltungskosten. Im Jahr 2017 gaben laut Citizens Budget Commission 51 Prozent der New Yorker an, die Lebensqualität in New York sei gut. Heute sagen dies nur noch 27 Prozent.

Mamdani wird als Bürgermeister einerseits mit hohen Erwartungen konfrontiert sein, andererseits mit den andauernden Budgetproblemen der Stadt. Zehn Prozent des New Yorker Budgets werden von Trumps Bundesregierung gesichert - oder eben nicht. Donald Trumps Macht ist groß; er ging in die Politik, um den demokratischen Sozialismus zu bekämpfen. Und er wird es Mamdani schwer machen, die Versprechen des Wahlkampfes umzusetzen.

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