- Kommentare
- Zohran Mamdani
New York: Das Prinzip Hoffnungsträger
Nelli Tügel dämpft den linken Optimismus nach der Wahl Zohran Mamdanis zum Bürgermeister von New York
Erinnern Sie sich noch an Andi Babler, »Austrias Bernie Sanders« (»Jacobin«)? Oder Gabriel Boric, den »Held des Augenblicks« (»Freitag«)? Vielleicht an die Neue Volksfront, »das Rückgrat des unbeugsamen Frankreichs« (»Taz«)? An Alexis Tsipras erinnern Sie sich sicherlich, oder Pablo Iglesias – und Bernie natürlich. Es ließen sich einige weitere nennen. Sie alle waren in den letzten Jahren linke Hoffnungsträger, über die Grenzen des Landes, in dem sie Politik machen wollten, hinaus. Jetzt gibt es einen neuen Stern am Himmel: Zohran Mamdani, den gewählten Bürgermeister von New York City, der größten Stadt des mächtigsten Landes der Welt.
Ja, die Kampagne, die ihn ins Rathaus getragen hat, war beeindruckend. Mamdani und sein Team haben mit einem soliden Programm ausgewählter Forderungen den Nerv ihrer Stadt getroffen. Angesichts des Trumpismus umso großartiger, dass nun die Chance auf einen echten Gegenpol existiert.
Wer ein bisschen aufgepasst hat in linken Machtstudien, weiß allerdings auch: Eine erfolgreiche Wahlkampagne ist nicht das Ende, sondern der Anfang der eigentlichen Auseinandersetzungen. Und wo Hoffnung geschürt und Erwartungen geweckt werden, ist die Fallhöhe entsprechend. So sehr sich jetzt viele darum bemühen klarzustellen, dass Mamdani gar nicht der krasse Kommunist ist, als den ihn US-Rechte zeichnen, und New York wohl kaum zur Räterepublik wird, so ungewiss ist zugleich, ob sich seine moderaten linken Forderungen wie ein Mietendeckel und kostenlose Busse tatsächlich umsetzen lassen. Viele Erfahrungen mit linken Regierungen geben da wenig Anlass zur Hoffnung. Mamdani wird vermutlich ab Tag eins im Amt mit enormem Widerstand konfrontiert sein und sich in einem feindlichen Umfeld behaupten müssen. Daran sind schon andere sehr sympathische linke Hoffnungsträger gescheitert.
Nelli Tügel ist Redakteurin der Monatszeitung »analyse & kritik« und freie Journalistin. Hier nimmt sie Ausbeutung, Arbeiter*innenbewegungen und linke Strategien unter die Lupe.
Dass diese immer wieder so begierig hochgejubelt und zu Role Models erklärt werden, noch bevor die eigentliche Arbeit begonnen hat, ist angesichts des Trübsals unserer Tage zwar verständlich, aber auch Teil des Problems. Denn die Umstände, unter denen linke Politik überhaupt möglich wird, Erfolgsbedingungen, Strategien – all das droht in den Hintergrund zu geraten, wenn einzelnen Personen eine Handlungsmacht zugeschrieben wird, die sie allein nie besitzen werden. Das ist die Mystifizierung linker Politik.
Vielleicht hat sich deshalb in den zurückliegenden Jahren so oft ein Mantel des Schweigens über jene linken »Lichtgestalten« gelegt, die – aus unterschiedlichen Gründen – die in sie gesetzten Hoffnungen enttäuscht haben. Dabei wäre doch wichtig, auch aus Niederlagen zu lernen, damit sich dieselben Fehler nicht wiederholen. Angefangen dabei, die Gegenwehr der Gegner zu unterschätzen.
Gerade angesichts des aufscheinenden Faschismus ist die Zahl an (weiteren) erfolglosen Versuchen für Linke vermutlich sehr begrenzt. Wir können nicht immer weiterziehen und unser Herz alle paar Monate an einen neuen Hoffnungsträger hängen, als wäre es das erste Mal. Kopflosen Optimismus gab es schon genug, linke Politik braucht echte Siege, und die wird es ohne planvolles Vorgehen nicht geben. Hoffen wir, dass Mamdani und seine Unterstützer*innen eine Strategie in der Tasche haben, die funktioniert. Wenn ja, lernen wir von ihnen, wenn nein, lernen wir – bitte – auch daraus!
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.