Deutscher Angriff auf Kanalroute

Bundesregierung will »illegale Migration« nach Großbritannien bestrafen

Im Rahmen gemeinsamer Ermittlungsgruppen führt auch die deutsche Polizei Razzien gegen vermeintliche Ärmelkanal-Schleuser durch.
Im Rahmen gemeinsamer Ermittlungsgruppen führt auch die deutsche Polizei Razzien gegen vermeintliche Ärmelkanal-Schleuser durch.

Die Bundesregierung will Schleusungen über den Ärmelkanal nach Großbritannien unter Strafe stellen – obwohl diese mangels gemeinsamer Grenze nicht direkt aus Deutschland erfolgen. Voraussichtlich wird dazu eine bestehende Strafvorschrift aus dem Aufenthaltsgesetz ausgeweitet, die künftig auch die Schleusung über die Kanalroute erfasst. So erklärt es das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, die dem »nd« vorliegt.

Hintergrund ist der angeblich starke Anstieg von Schleusungsaktivitäten in den Jahren nach dem Brexit. Das Vorhaben ist Teil von 17 Leuchtturmprojekten im Rahmen des deutsch-britischen Freundschaftsvertrags (»Kensington Treaty«) und soll zeitnah umgesetzt werden.

Eine frühere Formulierung legt außerdem nahe, dass auch Migrant*innen selbst verfolgt werden sollen: Einem AfD-Abgeordneten hatte das Ministerium auf eine Schriftliche Frage im Oktober von Plänen berichtet, »die illegale Migration von Deutschland in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland unter Strafe zu stellen«. Die genaue Ausgestaltung dieser Regelung werde derzeit »innerhalb der Regierung abgestimmt«.

Auf operativer Ebene beteiligen sich vor allem die Bundespolizei und einige Länderpolizeien an der Bekämpfung unerwünschter Migration nach Großbritannien. Im Rahmen gemeinsamer Arbeitsgruppen wie »Small Boats« werden der Antwort zufolge »regelmäßig« Schlauchboote, Bootsmotoren und auch Schwimmwesten beschlagnahmt – die dann für die ohnehin waghalsigen Überfahrten nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit dem Bundeskriminalamt beteiligt sich die Bundespolizei außerdem an der Task Force »Wave«, die von Europol koordiniert wird und die »Zerschlagung krimineller Netzwerke« zum Ziel hat.

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In der Antwort auf die Linke-Anfrage nennt das Innenministerium auch neue Zahlen: Im Rahmen der operativen Zusammenarbeit beteiligten sich deutsche Behörden 2024 und 2025 an sechs grenzüberschreitenden Einsätzen zur »Bekämpfung von Seewegschleusungen« über die Kanalroute. Dabei wurden 35 Personen festgenommen und 63 Durchsuchungsbeschlüsse durch die Bundespolizei umgesetzt.

Strategische Entscheidungen für derartige Maßnahmen werden in der »Calais Gruppe« getroffen, in der Deutschland mit Innenministerien mit den Ärmelkanal-Anrainern zusammenarbeitet – das soll nun vertieft werden. In der »Calais Gruppe« wurde auch die Bekämpfung von Aktivitäten im Internet beschlossen und mit Beteiligung der Tech-Konzerne Maßnahmen verabredet. Die Bundespolizei ist dazu einem »Expert*innennetzwerk für die Beobachtung digitaler Schleuserrouten« beigetreten und arbeitet im britischen Projekt »Timeline« mit, das Nutzerprofile von Schleusern ausfindig machen soll und anschließend löscht.

Die Anfragestellerin Clara Bünger kritisiert die Maßnahmen deutlich: »Als Linke stellen wir uns generell gegen die Kriminalisierung von Flucht.« Ausreisen aus Deutschland unter Strafe zu stellen, wie es nun mit dem Vereinigten Königreich geplant ist, sei absurd.

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