Cop30: Von wegen Trendwende bei CO2-Emissionen

Das globale Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Ziel ist schon aufgebraucht

  • Tine Heni
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Kohlenstoffemissionen gehen in rauen Mengen weiter.
Die Kohlenstoffemissionen gehen in rauen Mengen weiter.

Eine erfreuliche Nachricht in dunklen Zeiten: Chinas CO2-Emissionen sinken. Und das bereits seit März 2024, wie das britische Fachportal Carbon Brief vermeldete. Konkret sei der Ausstoß der Volksrepublik in der ersten Hälfte dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa ein Prozent geschrumpft. Doch jetzt gibt es Widerspruch: Laut einem am Mittwoch erschienenen Bericht des internationalen Global Carbon Project, das mit dem Weltklimaforschungsprogramm kooperiert, sind die chinesischen Emissionen 2025 doch weiter gestiegen – um knapp ein halbes Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Wie kann das sein? Die Forscher*innen im »Global Carbon Report« haben berücksichtigt, dass 2024 ein Schaltjahr war und somit etwas mehr Zeit blieb, um fossile Brennstoffe zu verbrennen. »Das macht bei so kleinen Zahlen schon einen Unterschied«, erläutert Judith Hauck vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Es gebe außerdem eine Schätzunsicherheit: »Unsere Schätzungen liegen zwischen minus 0,9 und plus zwei Prozent«, so die Geowissenschaftlerin.

In der EU sind die CO2-Emissionen laut dem Bericht ebenfalls um knapp ein halbes Prozent angestiegen. Auch hier ist es denkbar, dass sie in Wahrheit gleich geblieben oder sogar geschrumpft sind. Ein Grund wäre der gestiegene Ausbau der Solarenergie.

Grund zum Feiern besteht trotzdem nicht: In vielen Weltregionen haben sich die fossilen Treibhausgasemissionen deutlich erhöht. So nahm in den USA und in Japan der Ausstoß um fast zwei Prozent zu, in Indien um rund 1,5 Prozent. Und auch insgesamt steigt der globale CO2-Ausstoß weiter: Insgesamt liegt er 2025 wohl bei knapp 38 Milliarden Tonnen und ist somit 1,1 Prozent höher als im Jahr davor.

Die Projektionen zeigen außerdem, dass die globalen Emissionen aus fossilen Quellen – Kohle, Öl und Gas – in diesem Jahr nochmals ansteigen werden. In Europa sinken zwar die Emissionen aus der Kohleverbrennung, aber die aus Öl und Gas steigen an. Damit hält der Anstieg bereits seit über 50 Jahren an. »Es wird zunehmend beunruhigend, dass wir diese Trendwende als globale Gesellschaft einfach nicht hinbekommen«, kommentiert Jan Minx vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Immerhin sind dank der Dekarbonisierung der Energiesysteme die weltweiten CO2-Emissionen zwischen 2015 und 2024 wesentlich langsamer angestiegen als in den zehn Jahren davor: um durchschnittlich 0,3 Prozent pro Jahr statt um fast zwei Prozent. 35 Verschmutzer – darunter die USA und die EU – reduzierten in den letzten zehn Jahren ihren fossilen Ausstoß, obwohl ihre Volkswirtschaften wuchsen. Laut Umweltforscherin Hauck sind jetzt zudem Australien, Südkorea, Taiwan, Thailand und Jordanien hinzugekommen. »Auch außerhalb Europas bewegt sich etwas.«

Ein weiterer Grund zur Hoffnung sind die sinkenden Landnutzungsemissionen, etwa durch Trockenlegung von Mooren oder das Abbrennen von Wäldern. Die Top-drei-Emittenten in diesem Bereich haben einen großen Regenwaldanteil: Brasilien, Indonesien und Kongo verursachten fast zwei Drittel der Landnutzungsemissionen des letzten Jahrzehnts. Doch auch hier gibt es positive Nachrichten: Seit Präsident Lula da Silva 2023 erneut das Amt übernommen hat, haben sich die Entwaldungsraten Brasiliens halbiert, wie Julia Pongratz, Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, erklärt. »Der Rückgang der Emissionen aus der Landnutzung zeigt, wie erfolgreich Umweltpolitik sein kann.«

Trotzdem müsse man im Kopf behalten, dass zwar erst mal eine Trendwende nötig sei, »aber dann brauchen wir vor allem Netto-Null-Emission«, warnt die Klimaforscherin. »Und das ist dann ein ganz weiter Weg.« Denn das verbleibende CO2-Budget, um die globale Erwärmung mit auch nur 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist laut »Global Carbon Report« praktisch aufgebraucht. Um die Erwärmung zumindest auf zwei Grad zu begrenzen, würde das Budget noch 25 Jahre reichen. »Die internationalen Klimaziele werden zunehmend schwerer erreichbar«, kommentiert Nachhaltigkeitsforscher Minx. »Wir dürfen nicht unterschätzen, dass wir jedes Jahr, in dem wir die Trendwende nicht schaffen, weniger Zeit haben und dass wir von einem höheren Sockel runter müssen. Denn eines ist ja klar: Wo wir hinmüssen, ändert sich nicht.«

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