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Krisenzustand an Wiener Hochschule
Belegschaft der größten Privatuni Österreichs wehrt sich gegen Kündigungswelle und Repressalien
Die 2005 gegründete Sigmund-Freud-Universität in Wien ist die größte Privatuniversität in Österreich, mit weiteren Standorten in Linz, Berlin, Paris, Ljubljana und Mailand. Derzeit steckt der Betreiber in einer tiefen Krise. Diesen Mittwoch bestreiken die Beschäftigten den Wiener Standort. Berliner Kolleg*innen wollen sich online zur Streikkundgebung hinzuschalten, um ihre Solidarität zu bekunden. Auch sonstige Solidaritätsbekundungen sind sehr erwünscht. Es geht um viel. Die Wiener Belegschaft klagt über Stellenabbau, Überlastung und Repressalien gegen den Betriebsrat.
Am Wiener Arbeits- und Sozialgericht wurde in der vergangenen Woche ein Verfahren gegen den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Carlos Watzka eröffnet. Die Geschäftsführung der Sigmund-Freud-Universität klagt auf Kündigung gegen ihn. »Meiner Wahrnehmung nach geht es bei dieser Klage darum, gezielt den Betriebsrat zu schwächen«, sagt Watzka im nd-Interview. »Man hat offenbar seit 2024 gezielt Material gesammelt, um mich loszuwerden. Wir waren von Beginn an ein unbequemer Betriebsrat, weil wir uns gegen schlechte Zustände, das schlechte Betriebsklima und Ungleichheiten in der Bezahlung gewehrt haben.« Vor Gericht werde ihm unter anderem »respektloses Verhalten« vorgeworfen, erläutert Watzka. »Es wundert mich sehr, dass das ein Kündigungsgrund sein soll.«
Ähnlich wie die Fachhochschulen fallen Privatuniversitäten in Österreich nicht unter Kollektivverträge. Dadurch sind Inflationsanpassungen oder Gehaltssteigerungen nur über den Weg von Betriebsvereinbarungen durchsetzbar. Für deren Aushandlung braucht es jedoch gewählte Betriebsräte. Dass es an der Sigmund-Freud-Universität überhaupt einen gibt, dafür brauchte es einen zähen Kampf der Belegschaft. Seit Mai dieses Jahres verweigert die Geschäftsführung die Unterzeichnung einer fertig ausverhandelten Betriebsvereinbarung. Diese sieht neben einer Anpassung der Gehälter an die Inflationsentwicklung auch eine Fortsetzung von Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Gleitzeit und die Abgeltung von Mehrleistungen für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen vor.
Inzwischen ist Watzkas ehemalige Stellvertreterin Handan Özbaş die neue Betriebsratsvorsitzende an der Sigmund-Freud-Universität. Diesen Schritt habe der Betriebsrat gesetzt, um den Weg für Gespräche mit der Geschäftsführung freizumachen. »Sie hat immer argumentiert, dass es keine Gesprächsbasis mit Carlos Watzka mehr gebe, weshalb keine Verhandlungen möglich seien«, so Özbaş im Interview. »Außerdem hat die Geschäftsführung gegen ihn ein Betretungsverbot für das Universitätsgelände verhängt. Das soll wohl auch unsere Betriebsratsarbeit behindern, ist aber rechtlich unwirksam.« Die Argumentation der Geschäftsführung hält sie für vorgeschoben: »In den Jahren 2015 bis 2024 hat die Universität Millionen an Gewinnen erzielt. Aber nur in den Jahren 2023 und 2024 gab es in den 20 Jahren der Existenz dieser Privatuni eine Inflationsanpassung. Es gab überhaupt kein Gehaltsschema, und alles war sehr intransparent.« Weil der Betriebsrat versucht habe, dies zu ändern, sei er der Geschäftsführung ein Dorn im Auge. Teresa Schön, Vizedirektorin für Recht und Organisationsentwicklung an der Privatuniversität, begründete auf nd-Nachfrage die Einleitung des Kündigungsverfahrens mit einem wiederholten »betriebsschädigenden Verhalten« Watzkas. Den Vorwurf weist er zurück.
Ohne starken Rückhalt aus der Belegschaft wäre der Druck für den Betriebsrat nicht aushaltbar gewesen, so Özbaş. Dies habe sich am Tag der Verfahrenseröffnung gegen Watzka gezeigt. »Wir haben gemeinsam mit Kolleg*innen vor dem Arbeitsgericht eine Protestkundgebung gemacht. Auch von anderen Fachhochschulen und Universitäten kam Unterstützung.«
Diese ist dringend nötig, denn längst ist nicht mehr nur der Betriebsrat bedroht. In der Belegschaft geht die Angst vor weiteren Kündigungen um. In den Fakultäten Psychotherapiewissenschaft und Rechtswissenschaft seien Dienstverhältnisse eines Drittels des wissenschaftlichen Personals aufgelöst worden beziehungsweise Kündigungsprozesse im Gang. Zusätzlich verschärft die Geschäftsführung den Konflikt durch die Auflösung des Dienstverhältnisses der Vorsitzperson des Arbeitskreises für Gleichbehandlung ohne Begründung. »Das ist symptomatisch für den Umgang mit Arbeitnehmer*innenrechten an der Sigmund-Freud-Universität«, sagt Özbaş.
Die Probleme spiegeln sich auch in den Forderungen wider, welche die Belegschaft mit einem Streik an diesem Mittwoch durchsetzen will. Unter anderem geht es um eine Anhebung der Gehälter zum Inflationsausgleich, ein Ende der Repressalien sowie die Schaffung ausreichender Personalkapazitäten.
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