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Justizstreit im Fall Ibrahima Barry
Polizeitod des Geflüchteten soll nur vor Amtsgericht
Am 6. Januar 2024 starb der 23-jährige Ibrahima Barry bei seiner Festnahme in einer Flüchtlingsunterkunft in Mülheim an der Ruhr. Die Staatsanwaltschaft Duisburg erhob deshalb im März 2025 Anklage gegen neun Beamt*innen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung im Amt. Das Landgericht Duisburg ließ diese nun zu – will das Verfahren aber vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr eröffnen. Dagegen ging die Staatsanwaltschaft in »sofortige Beschwerde«, erfuhr das »nd« am Donnerstag. Deshalb kann die Verhandlung vorerst nicht terminiert werden.
Der Grund für den Streit: Die Staatsanwaltschaft will den Prozess nur wegen öffentlichen Interesses am Landgericht führen lassen – und nicht, weil sie mit hohen Strafen rechnet. Normalerweise ist das Landgericht nur bei Taten mit einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren zuständig.
Die neun Angeklagten fixierten Barrys Arme mit Handschellen und seine Beine mit Kabelbindern – und verbanden diese miteinander. Der junge Mann aus Guinea erlitt noch am Einsatzort einen Herzinfarkt und verstarb. Die Staatsanwaltschaft meint, eine direkte Kausalität von Fesselung und Todesfolge nicht zweifelsfrei belegen zu können. Stattdessen nimmt sie ein »Kombinationsgeschehen« aus Erstickungsgefahr, Herzinfarkt, Kokainkonsum, Erregungszustand und einer Lungenerkrankung als Todesursache an. Auch der bei dem Einsatz erfolgte Tasereinsatz spielt in der Anklage keine Rolle mehr.
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Der Fall hatte eine Debatte über Polizeigewalt und den Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen ausgelöst – jenes öffentliche Interesse, auf das sich die Staatsanwaltschaft bei ihrer Forderung nach Verhandlung am Landgericht Duisburg beruft. Die dortige sechste Kammer teilt die Einschätzung offenbar nicht. Nun wird die Beschwerde durch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf geprüft – die endgültige Entscheidung über den Verhandlungsort trifft dann aber das dortige Oberlandesgericht. Zum zeitlichen Rahmen wollte sich eine Richterin gegenüber »nd« nicht äußern.
»Mehr als 22 Monate sind nun schon vergangen und noch immer ist der Prozess nicht gestartet. Das ist inakzeptabel, weil die Familienangehörigen die Wahrheit wissen wollen«, schreibt der Solidaritätskreis »Justice for Ibrahima Barry« an »nd« und nennt den möglichen Verhandlungsort vor einem kleinen, örtlichen Amtsgericht »absurd«. Die Gruppe hält auch den Tasereinsatz für den Tod des Geflüchteten für relevant.
»Denjenigen, die ihn getötet haben, sage ich, dass ich ihnen nicht vergebe«, sagt dazu seine Mutter. Barrys Eltern wollen zum Prozess nach Deutschland kommen. »Wir erwarten, dass die Deutsche Botschaft Conakry rasch und unbürokratisch Visa erteilt, damit die Einreise zum Prozess pünktlich erfolgen kann. Die Anträge dafür werden in Kürze gestellt«, erklärt der Solidaritätskreis.
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