Demonstration der Stärke bei Klimakonferenz in Belém

Über 80 Länder dringen bei UN-Gipfel auf Fahrplan für Ausstieg aus den fossilen Energien

  • Christian Mihatsch, Belém
  • Lesedauer: 4 Min.
Die NGO-Forderung nach Ausstieg aus den Fossilen wird von einigen Staatenvertretern unterstützt.
Die NGO-Forderung nach Ausstieg aus den Fossilen wird von einigen Staatenvertretern unterstützt.

Auch bei UN-Klimakonferenzen können symbolische Handlungen eine Rolle spielen, so nervtötend technisch die Verhandlungen oft auch sind. Zu Beginn der letzten Plenarversammlung bei der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 gab es eine symbolische Demonstration der Stärke: Regierungsvertreter der »Koalition der Ehrgeizigen« betraten untergehakt und unter Applaus den Plenarsaal – vorneweg Minister der USA und der Marshall-Inseln sowie der EU-Klimakommissar. Für letzteren, Miguel Arias Cañete, war diese Allianz entscheidend: Die »Koalition der Ehrgeizigen« habe den Wendepunkt gebracht, sagte er. In dieser Gruppe versammelt sind »kleine und große Länder, reiche und arme«, wie es deren Initiator Tony de Brum, mittlerweile verstorbener Außenminister der im mittleren Ozeanien gelegenen Marschall-Inseln, seinerzeit ausdrückte. Da die »Ehrgeizigen« außerdem die Mehrheit unter den Ländern hatten, konnten sich schließlich auch die Bremser nicht versagen. Und so wurde möglich, was zwei Wochen zuvor noch kaum jemand erwartet hatte: ein ambitioniertes Klimaabkommen.

Und nun könnte sich Geschichte wiederholen: Bei der 30. UN-Klimakonferenz (COP 30) in Belém kam es am Dienstag (Ortszeit) ebenfalls zu einer solchen Demonstration der Stärke. In einer Pressekonferenz stellten sich Minister aus mehr als 80 Ländern demonstrativ hinter die Forderung nach einem Fahrplan zum Ausstieg aus den fossilen Energien. Brasiliens Präsident Lula das Silva hatte zu Beginn der Konferenz – zur Überraschung vieler – gesagt, die Welt brauche einen »Fahrplan, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden«. Doch die Ausarbeitung eines solchen Fahrplans fand sich nirgends in der COP-30-Agenda, und in der ersten Verhandlungswoche entstand der Eindruck, dass Konferenzleiter André Correa do Lago dem auch keine besondere Priorität beimisst. Gleichzeitig formierte sich aber eine immer größere Koalition von Ländern, die genau das wollen – einen Plan, um in geordneter und gerechter Weise die Hauptursache für die Klimakrise zu überwinden: die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas.

»Workshops und Runde Tische werden nicht dazu führen, das Schlimmste der Klimakrise zu vermeiden.«

Romain Ioualalen Umweltorganisation Oil Change International

Auch dieses Jahr sind die Marshall-Inseln vorne mit dabei. Deren Klimagesandte Tine Stege eröffnete die Pressekonferenz mit der Aufforderung: »Lasst uns hinter der Idee für einen solchen Fahrplan versammeln, zusammenarbeiten und einen Plan machen!« Anschließend sagte der deutsche Umweltminister Carsten Schneider: »Wir brauchen eine kollektive globale Anstrengung, um uns von den fossilen Energien zu befreien.« Sein britischer Amtskollege Ed Milliband verwies dann explizit auf die Parallele zu Paris: Wieder gebe es eine breite Koalition von Ländern »aus dem globalen Norden und dem globalen Süden«. Im Anschluss an die Pressekonferenz kommentierte Jasper Inventor von Greenpeace stellvertretend für viele: »Das könnte der Wendepunkt von COP 30 gewesen sein.«

Nach so viel Drama kommt jetzt aber wieder das technische Klein-Klein: genauer gesagt die genaue Ausformulierung von Paragraf 35 in der geplanten Mantelentscheidung, die den Abschluss von COP 30 bilden soll. Im aktuellen Entwurf der »Mutirão Decision« – das aus der Sprache der Tupi-Guarani stammende Wort steht für »kollektive Anstrengungen« – waren bisher lediglich drei schwache Optionen aufgelistet: ein »Workshop« oder ein »Runder Tisch«, um Erfahrungen beim Ausstieg aus den fossilen Energien auszutauschen und – wie immer – die Option: »kein Text«. Noch aber haben die Länder die Möglichkeit, hier etwas wirklich Bedeutsames zu entscheiden: »Der Ersatz eines globalen Plans für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durch Workshops und runde Tische wird nicht dazu führen, das Schlimmste der Klimakrise zu vermeiden«, sagt Romain Ioualalen von der Umweltorganisation Oil Change International. Die Demonstration der Stärke habe gezeigt, dass »sich das Momentum verschiebt«.

Und so bleibt abzuwarten, was aus dem geforderten Fahrplan letztlich wird. Alles offen ist auch bei den anderen heiklen Themen: dem Umgang mit den bisher zu schwachen nationalen Klimaschutzplänen, mit den unzureichenden Finanzhilfen für den globalen Süden und mit den Handelshemmnissen infolge nationaler Klimapolitik. Der Gastgeber will das politische Paket bis Donnerstagabend fertig haben, was Beobachter für viel zu optimistisch halten. Üblicherweise beginnt dann erst die eigentliche heiße Phase der Verhandlungen, wie die bisherigen COP-Erfahrungen gezeigt haben.

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