Arbeitslosengeld II: Was tun, wenn das Geld vom Amt auf sich warten lässt?
Hartz IV
Rechtzeitig Antrag stellen: Stellen Sie den ALG-II-Antrag möglichst schon bevor Sie auf das Geld angewiesen sind. Zwar steht Ihnen das ALG II erst ab dem Tag zu, ab dem Sie alle Voraussetzungen erfüllen, also z.B. Ihr »normales« Arbeitslosengeld ausgelaufen ist. Den Antrag können Sie aber auch schon vorher stellen und das Antragsformular vorab ausfüllen. Planen Sie ein, dass es einige Zeit dauert, bis Sie einen Bescheid und Geld vom Amt bekommen.
Rechtsanspruch auf Vorschuss: Wenn der Bescheid auf sich warten lässt, dann muss das Amt Ihnen spätestens nach einem Monat einen Vorschuss zahlen, wenn Sie das beantragen. Der Vorschuss steht Ihnen auch schon vor Ablauf der Monatsfrist zu, wenn Sie akut bedürftig und ohne Geld dastehen – also »blank« sind. Eigentlich ist der Vorschuss bis zum Ablauf der Monatsfrist nur eine »Kann-Bestimmung« und liegt im Ermessen des Amtes. Aus dem »Kann« wird aber aus verfassungsrechtlichen Gründen ein »Muss«, wenn Sie ganz mittellos sind.
Der Vorschuss hat aber einen Haken: Zwar haben Sie auf den Vorschuss einen Rechtsanspruch (§ 42 SGB I). Allerdings nur, wenn ein Anspruch auf ALG II dem Grunde nach besteht und »nur« noch die Höhe der Leistung unklar ist.
Beispiel: Es ist völlig unstrittig, dass Ihnen ALG II zusteht, das Amt hat aber den konkreten Zahlbetrag noch nicht ausgerechnet und überwiesen.
Etwas anderes ist, wenn das Amt auf dem Standpunkt steht, dass Ihnen überhaupt kein ALG II zusteht, etwa weil das Amt meint, Sie wären wegen ihrer Eigentumswohnung gar nicht bedürftig. Dann hilft der Vorschuss nicht weiter, eventuell aber ein »vorläufiger Bescheid«.
Vorläufige Entscheidung: Wenn unklar ist, ob Sie einen Leistungsanspruch haben und die Klärung, ob Sie die Voraussetzungen erfüllen, länger dauert, dann kann eventuell ein »vorläufiger Bescheid« weiterhelfen. Dabei bekommen Sie sozusagen Leistungen erst mal nur unter Vorbehalt, bis endgültig entschieden ist.
Auf einen vorläufigen Bescheid haben Sie einen Rechtsanspruch (§ 40 Absatz 1 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 SGB III), wenn
– Sie einen vorläufigen Bescheid beantragen und
– es nicht an Ihnen liegt, dass sich die Entscheidung über Ihren Antrag auf ALG II hinzieht und
– es »hinreichend wahrscheinlich« ist, dass Ihnen tatsächlich Leistungen zustehen.
Notlage deutlich machen: Machen Sie Ihrem Sachbearbeiter deutlich, wie dringend Sie auf das Geld angewiesen sind und dass Sie schnell einen Bescheid brauchen. Sprechen Sie ruhig auch öfter persönlich vor, wenn der Bescheid auf sich warten lässt. Treten Sie dabei bestimmt in der Sache, aber ruhig und freundlich auf. Der Ton macht die Musik. Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie Ihren Sachbearbeiter beschimpfen – im Gegenteil.
Bedenken Sie: Das »kundenfeindliche Schneckentempo« der Behörde muss nicht daran liegen, dass Ihr Sachbearbeiter faul oder böswillig ist. Vielmehr sind die Ämter überfordert, die Mitarbeiter werden ständig mit neuen Gesetzen und Richtlinien überschüttet, aber selten ausreichend geschult.
Beistand mitnehmen: Sie können eine Person Ihres Vertrauens, einen so genannten Beistand mit aufs Amt nehmen. Das ist Ihr gu-tes Recht (§ 13 Abs. 4 SGB X). Nicht alleine aufs Amt zu gehen, kann manchmal schon Wunder bewirken. Wenn Sie doch ewig warten müssen, überlegen Sie mal, ob Sie Ihren Fall öffentlich machen und das im Gespräch mit ihrem Sachbearbeiter andeuten.
Einstweilige Anordnung: Wenn das Amt Ihnen weder einen Vorschuss noch vorläufige Leistungen gewährt, dann bleibt noch der Weg zum Sozialgericht. Das Verfahren ist gar nicht so kompliziert wie mancher denkt, sondern relativ bürgerfreundlich.
Beim Sozialgericht können sie eine so genannte »einstweilige Anordnung« beantragen. Damit kann erreicht werden, dass das Gericht das Amt verpflichtet, Ihnen vorläufig Leistungen zu zahlen. Der entsprechende Paragraf lautet § 86b Abs. 2 SGG.
Damit Ihr Antrag Erfolg hat, müssen Sie dem Gericht glaubhaft machen, dass Ihr Fall eilbedürftig ist, also dass Sie in einer akuten Notlage sind und nicht warten können, bis das Amt am St.-Nimmerleinstag über Ihren Antrag entschieden hat.
Es ist zu empfehlen, mit einer Beratungsstelle für Arbeitslose vorab zu klären, ob eine solche einstweilige Anordnung auf Ihren Fall »passt«. Gewerkschaftsmitglieder können natürlich bei ihrer Gewerkschaft um Rechtsschutz bitten.
Der Antrag ist direkt bei der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts »zur Niederschrift« zu stellen. Die Rechtspfleger des Gerichts formulieren dann den Antrag mit Ihnen zusammen. Bringen Sie Ihren Personalausweis und möglichst viele Nachweise mit, die Ihre Notlage belegen (insbesondere aktuelle Kontoaus-züge und das Sparbuch). Übrigens: das Verfahren ist kostenlos.
Untätigkeitsklage: Theoretisch können Sie das Amt auch wegen Untätigkeit verklagen (§ 88 SGG). Vielleicht haben Sie schon mal davon gehört. Doch ratsam ist das kaum. Denn die Untätigkeitsklage ist ein stumpfes Schwert: Eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht ist erst nach sechs(!) Monaten Untätigkeit des Amtes möglich. Reagiert das Amt nicht auf einen Widerspruch, dann ist die Untätig-keitsklage nach drei Monaten möglich. Solange kann natürlich kein Mensch warten. Deshalb sollten Sie lieber wie oben beschrieben einen Vorschuss beantragen.
Eigene Akte anlegen: Machen Sie sich von Ihren Anträgen und Briefen an das Amt immer eine Kopie und heften Sie diese zusammen mit den Bescheiden und Briefen des Amtes ab. So wissen Sie immer, welche Angaben Sie selbst gemacht haben und können dann besser überprüfen, ob das Amt Ihre Angaben auch korrekt übernommen hat. Außerdem ist es leider auch schon vorgekommen, dass Akten auf den Ämtern einfach verschwunden sind.
Literatur-Tipp: Behörden regeln einen großen Teil unseres Lebens. Doch lange Fragebögen und komplizierte Bescheide fördern oft Frust. Wie reicht man wichtige Unterlagen ein? Was ist ein Verwaltungsakt, was eine Verwaltungsvollstreckung? Welche Ermessenspielräume hat eine Behörde und wie lege ich Widerspruch ein? Antworten auf diese Fragen und weitere Informationen liefert der neue Ratgeber »Meine Rechte gegenüber Behörden«. Erhältlich zum Preis von 9,90 Euro in allen Beratungsstellen der Verbraucherzentralen.
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