Marathon-Mann und Alpha-Mädchen

Pokalstimmung bei der ND-Schachgala in der Emanuel-Lasker-Gesellschaft

  • René Gralla
  • Lesedauer: 4 Min.
Helmut Pöltelt unterlag Tina Mietzner nur knapp.
Helmut Pöltelt unterlag Tina Mietzner nur knapp.

Eine Alpha-Leistung vom »Alpha-Mädchen«. Elisabeth Pähtz hat es in diesem Jahr schon auf die Titelseite eines deutschen Nachrichtenmagazins geschafft, als eine der jungen Vorzeigefrauen, die das Land aufmischen. Entsprechend dominierte die 22-jährige Erfurterin am Freitagabend auch die zweite Damen-Schachgala des »Neuen Deutschland«: Die Ex-Juniorenweltmeisterin wiederholte ihren Erfolg vom Vorjahr und gewann das Turnier mit 4,5 aus fünf Partien deutlich vor der Schweizer Meisterin Monika Seps und der polnischen Großmeisterin Iweta Rajlich.

»Das Ergebnis ist okay«, bilanzierte Elisabeth Pähtz gewohnt nüchtern nach spannenden Runden in den Räumen der Emanuel-Lasker-Gesellschaft am Leuschnerdamm. Ausgetragen wurde der Wettkampf mit verkürzter Bedenkzeit, zehn Minuten pro Spielerin und Partie plus fünf Sekunden Bonus für jeden Zug: eine verschärfte Gangart, die jedoch Elisabeth Pähtz besonders gut liegt. Der Lohn der Denkarbeit: ein Scheck über 1000 Euro, den ND-Geschäftsführer Olaf Koppe der Siegerin überreichte.

Mit seiner Gala knüpft das ND nach der Premiere 2006 an die Tradition jener Turniere an, die von führenden Verlagen zur Zeit der Weimarer Republik veranstaltet wurden. »Und diese Tradition werden wir auch 2008 fortsetzen«, versprach Geschäftsführer Olaf Koppe, nicht zuletzt mit Blick auf die Schacholympiade, die im November 2008 nach Dresden kommt. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, und so waren als Vertreter des Organisationskomitees aus der sächsischen Metropole auch Dr. Dirk Jordan und Jörn-Torsten Verleger zur Gala angereist. Die sich beide insbesondere davon angetan zeigten, dass vom ND auf diese Weise das Frauenschach gefördert wird.

Ein Lob, dem sich auch Bundestrainer Uwe Bönsch anschloss: »Ich finde das klasse.« Derweil stand der Coach vor einem Diagrammschaubild in einem Nebenraum des Turniersaales und erläuterte die Aktionen. Wobei sich Bönsch und die anwesenden Experten – darunter Dr. Matthias Kribben, Vizepräsident des Deutschen Schachbundes, und sein Geschäftsführer Horst Metzing – die Bälle zuwarfen: »Der Randspringer gefällt mir nicht.« »Unterschätzen Sie nicht das Läuferpaar!«

Dazwischen krähte fröhlich, offenbar unbeeindruckt von derart geballter Fachkompetenz, Lukas: der 18 Monate alte Sohn von Tina Mietzner, Nr. 4 beim Leistungsvergleich der Jungstars aus drei Nationen, und Ehemann Matthias Duppel. Der 27-jährige Stuttgarter ist Softwareexperte und punktet in der zweiten Bundesliga. Wird Lukas auch mal eine Schachkarriere starten? »Das muss er selbst entscheiden«, sagte Matthias Duppel. »Aber wenn ihm das Spiel Spaß macht, werden wir ihn unterstützen.« Eine Förderung, die besser dann kaum sein könnte: Der Vater ist Internationaler Meister, die Mutter hat als Schülerin und Jugendliche mehrmals nationale Titel abgeräumt. Aktuell gehört Tina Mietzner zum Kader des OSC Baden-Baden. Allerdings lief es für die 23-jährige, die gerade das erste juristische Staatsexamen bestanden hat, ausnahmsweise mal weniger rund. »Gewinnen ist natürlich schöner als verlieren«, kommentierte sie trocken ihren undankbaren vierten Platz. Dem sie aber etwas Positives abgewann: »Es waren interessante Partien.«

Eine entspannte Haltung, die auch von Iweta Rajlich geteilt wurde. Die 26-jährige Diplompsychologin hatte mit Polens Team Silber bei der Mannschafts-EM 2007 geholt hatte und galt in Berlin neben Elisabeth Pähtz als Favoritin. Sie musste sich aber dann hinter der 21-jährigen Züricherin Monika Seps mit Rang drei begnügen. Kein Grund für Iweta Rajlich, schlecht gelaunt zu sein: »Das Turnier hat Spaß gemacht.«

Schließlich sollte die Gala zugleich das spielerische Element am Schach betonen. Daher gab es eine besondere Einlage zwischen Vorrunde und Finale: Vier Gäste aus dem Publikum, die zuvor drei im ND veröffentlichte Mattaufgaben gelöst hatten, wurden ausgelost und durften sich mit den weiblichen Denksportprofis im Blitzschach messen. Mit einem Zeithandikap zugunsten der Amateure: Die hatten vor dem ersten Zug fünf Minuten auf der Uhr, die Frauen bloß zwei Minuten.

Folglich mussten Elisabeth Pähtz und ihre Kolleginnen von der ersten Sekunde an Gas geben, und weil die Hobbyspieler keinen Respekt vor prominenten Namen zeigten, brach plötzlich richtige Pokalstimmung in der Emanuel-Lasker-Gesellschaft aus. Der 30-jährige Meteorologe Sascha Brand vom Potsdamer Klimaforschungsinstut hatte sich vorgenommen, wenigstens 20 Züge gegen Iweta Rajlich durchzuhalten, und die Marke stellte er locker ein. Nach der unvermeidlichen Kapitulation resümierte er lachend: »Das war aufregend, auch wenn ich haushoch verloren habe.«

Weniger zufrieden war der frühere Wartungsingenieur Ludwig Stern (69), der in Potsdam Kindern und Jugendlichen Schach Spiel beibringt. Der Freizeitautor, der einige seiner Texte schon im ND veröffentlicht hat, ließ sich von Monika Seps mit einem klassischen Matt ausknocken. Ludwig Stern übte Manöverkritik: »Ich habe mich hetzen lassen. Ich muss cooler werden.« Haarscharf an der Sensation vorbei schrammte indes der Berliner Dr. Helmut Pöltelt (63): »Drei Sekunden fehlten, dann hätte ich gegen Tina Mietzner nach Zeit gewonnen.« Das nahm der »echte Zocker« (O-Ton Pöltelt) als Ansporn: »Das nächste Mal spiele ich einfach noch schneller.«

Die Zähigkeit eines Marathonmannes bewies Karl-Heinz Hesselbarth (70) gegen Elisabeth Pähtz. Er leistete der späteren Turniersiegerin hinhaltenden Widerstand, allerdings gingen ihm zwischenzeitig zwei Schachbauern von der Fahne, und diesen materiellen Rückstand konnte er nicht mehr aufholen. Sei’s drum, Karl-Heinz Hesselbarth hat jetzt schon die nächste Herausforderung fest im Blick: den Rennsteiglauf 2008. Dann geht er wie jedes Jahr über die volle Distanz – 72,7 Kilometer.

Karl-Heinz Hesselbarth hatte es mit Elisabeth Pähtz zu tun.
Karl-Heinz Hesselbarth hatte es mit Elisabeth Pähtz zu tun.
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