Spekulanten drücken Putin die Daumen

Die Aktienkurse haben sich in der Amtszeit des russischen Präsidenten vervielfacht

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Spekulanten setzen in Russland auf die Eins: Einen Wahlsieg von Präsident Wladimir Putin bei den Parlamentswahlen würde der Kapitalmarkt als positives Signal auffassen.

Für den Beifall der Geldgiganten für Waldimir Putin gibt es vor allem einen Grund: Seit seiner Machtübernahme im Mai 2000 ist der russische Aktienindex RTS um mehr als 880 Prozent gestiegen, von 227 auf aktuell über 2200 Punkte. Seit der tiefen Krise Ende der 90er ist das Bruttoinlandsprodukt pro Jahr um durchschnittlich rund sechs Prozent gewachsen, für 2007 erwarten Ökonomen mehr als sieben Prozent.

Die Wende verdankt Putin den reichlich fließenden Petro-Dollars. Die Erdöl- und Erdgasmilliarden werden seit drei Jahren verstärkt in die übrige Wirtschaft umgeleitet und etwa der private Hausbau gefördert. Die Arbeitslosigkeit sank in der amtlichen Statistik auf ein vergleichsweise niedriges Niveau von 6,3 Prozent. Russland gehört mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund einer Billion US-Dollar (Deutschland: 2,6 Billionen) mittlerweile wieder zu den zehn größten Volkswirtschaften – 1999 lag das Land noch auf Rang 22. Die Inflationsrate ging zurück, der Staatshaushalt ist ausgeglichen, und die Auslandsschulden wurden weitgehend abgezahlt.

Freude bereitet den Spekulanten die Börse in Moskau. Russische Aktien gelten im internationalen Vergleich als billig und ziehen heute Anleger aus aller Welt an. In der Sprache der Börsianer: »Obwohl die Fundamentaldaten solide sind, sind russische Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13,3 in diesem Jahr noch fair bewertet, insbesondere wenn man das Wirtschaftswachstum berücksichtigt«, betont etwa Charles Tennes, Leiter des Anlage-Bereichs von KIT Fortis Investments, einem holländisch-russischen Gemeinschaftsunternehmen in St. Petersburg.

Russlands Aufschwung steht allerdings auf glitschigem Boden. »Zweifellos bildet der Öl- und Gassektor das Rückgrat der russischen Wirtschaft«, sagt Tennes. Der Energiesektor macht rund ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung und rund 60 Prozent des Exportes aus. Auf Dauer werde sich Russlands Wirtschaft jedoch breiter aufstellen müssen. Die größten Chancen sehen westliche Beobachter in den Branchen Infrastruktur und Konsum.

Der Verbrauch russischer Haushalte ist seit 1999 umgerechnet von rund 600 auf 2500 Dollar im Monat angestiegen. Im Durchschnitt, denn längst nicht alle gewinnen im Öl-Monopoly. Offiziell hat die Armut freilich abgenommen: Statt 30 Prozent leben »nur« noch 17 Prozent der Russen unterhalb der Armutsgrenze. In einer Umfrage der Bank Renaissance Capital nannten die Befragten trotzdem als drängendste Probleme: Arbeitslosigkeit, Korruption und Inflation.

Der Konsumrausch, so Investmentmanager Tennes, wird vor allem von einer »verbraucherfreudigen Mittelschicht« getragen – neben den Kreml-nahen Oligarchen die Gewinner des wirtschaftlichen Aufschwungs. Ihr Nachholbedarf an Produkten des täglichen Lebens – Tennes nennt Autos und Fernsehgeräte – und Luxusgütern sei enorm. Davon profitieren auch deutsche Konzerne wie Metro und Allianz, die Zuhause unter der stagnierenden Binnennachfrage leiden. Für Charles Tennes ist daher klar: Der Kapitalmarkt würde eine Wiederwahl Putins sehr positiv bewerten, »weil Anleger Kontinuität an der Börse mehr gut heißen als demokratische Werte«.

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