Der Sieger

Thilo Sarrazin / Der Berliner Finanzsenator stammt aus Gera und brachte den Etat in Ordnung

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 2 Min.
Personalie: Der Sieger

»Ich bin mir sicher, wenn man mich mit dem Haushalt ein paar Tage alleine ließe, wäre er nachher um eine Milliarde kleiner. Und die meisten Menschen in Berlin würden es nicht mal merken«, verkündete der Finanzsenator der bundesweit einzigen rot-roten Koalition in der Nacht zum Freitag in Siegerlaune. Seit Januar 2002 verwaltet er die Kasse.

Als der 62-Jährige mit dem meist treffenden, zuweilen sarkastischen und manchmal auch schwer ergründlichen Witz nachschob: »Aber man lässt mich ja nicht«, war das deutbar. Manchmal wurde er ganz gern falsch verstanden. Das ist häufiger der Fall, wenn es nicht direkt um Zahlen geht.

Jedenfalls war Herr der Finanzverwaltung kurz nach Mitternacht ein unumstrittener, von seinem Chef Wowereit gelobter, wenn auch keinesfalls ein überschwänglich gefeierter Sieger. Dabei kann der Senator getrost als Zuchtmeister des rot-roten Erfolges gelten. Er trieb Stadt und Politik mit seinen Folien vor sich her und in schwarze Zahlen. Es wäre höchst ungerecht, nun alles dem zyklischen Aufschwung zuzuschreiben. Da müssten ja alle aus den roten Zahlen raus sein.

Welcher Verantwortliche und welcher Normalbürger, mal ehrlich, wusste denn vor Thilo Sarrazins Amtsantritt von einem »Primärhaushalt«? Er machte den Begriff zum Allgemeingut. Der SPD-Politiker nutzte diese Finanzgröße, bei der Schulden, Zinsen und Vermögen nicht eingerechnet werden, aber nicht zur Verschleierung. Vielmehr machte er klar, was 60 Milliarden Euro Schulden bedeuten und dass man mit ihnen umgehen kann. Nur weil jetzt der Primärhaushalt stimmt, können auch Schulden getilgt werden.

Der gelernte Volkswirtschafter und weithin anerkannte Finanzexperte scheut wahrlich keine Herausforderung. Er zieht meist bewusst den Zorn des Volkes auf sich und legt sich sogar immer wieder gern mit seinem Ex- und damit Bahn-Chef Mehdorn an.

Es wäre falsch, die »rosige Gegenwart unkritisch weiter zu verlängern«, blieb sich Sarrazin auch in der Stunde des Sieges treu. »Mit den Finanzen muss man es halten wie mit dem Wetter: Sich über den Sonnenschein freuen und auf den Regen einstellen.« Es wird schwerer für den Chefsparer, wenn er etwas zu verteilen hat.

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