Die Jagd der Finanzinvestoren nach Profiten

In diesem Jahr wurden neue Runden bei der weltweiten Spekulation in Gang gesetzt

  • Jörg Huffschmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Börsenjahr 2007 war vor allem von den Auswirkungen der US-Hypothekenkrise geprägt. Die Politik müsste endlich ernsthaft gegensteuern.

Alle hatten die Finanzkrise erwartet, aber keiner hat etwas dagegen unternommen. Als sie dann im Sommer 2007 in den USA begann und sich schnell weltweit verbreitete, herrschte aufgeklärte Hilflosigkeit. Jetzt hoffen viele, dass das Schlimmste vorbei ist, ohne dass die Weltwirtschaft ernsthaften Schaden genommen hat. Andere sehen das Schlimmste erst noch kommen und sagen lange Folgeschäden voraus. Wer Recht hat, lässt sich nicht seriös entscheiden. Energisches politisches Gegensteuern gibt es aber weder von der einen, noch von der anderen Seite.

Die unmittelbaren Ursachen der jüngsten Krise liegen im Zusammenspiel der großen Banken und der spekulativen Finanzinvestoren. Bei den Banken liegt enorm viel Geld, und um Gewinne zu machen, müssen sie um jeden Preis Kredite vergeben, auch an SchuldnerInnen, die sich derartige Kredite eigentlich nicht leisten können. Um die Risiken loszuwerden, verkaufen die Banken diese Kredite paketweise an Finanzinvestoren, die die Schulden rücksichtslos eintreiben oder die Pakete weiterverkaufen. Die Käufer sind oft andere Banken, die von den Risiken keine Ahnung haben, aber als Global Players an der Jagd nach Profiten teilnehmen wollen. Darunter befanden sich jüngst auch deutsche Institute wie Deutsche Bank, Commerzbank und auch öffentliche Institute wie die IKB oder die Sachsen LB. Wenn die Sache schiefgeht, müssen die spekulativ hochgetriebenen Werte berichtigt werden. Das Problem dabei ist nicht, dass dann die Gewinne der Banken sinken, sondern dass die hohen Werte wiederum Grundlage für neue Geschäfte wurden. Wenn die Spekulationsblase platzt, werden auch die Kredite für an sich gesunde Unternehmen knapp.

Die aktuelle Finanzkrise verdeckt aber eine andere wichtige Veränderung auf den weltweiten Finanzmärkten, die sich in den letzten Jahren auch in Deutschland zunehmend bemerkbar macht. Es handelt sich um das aggressive Auftreten neuer Finanzinvestoren. Als Private-Equity-Firmen kaufen sie mittelgroße Unternehmen auf, um sie nach wenigen Jahren wieder mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen. Dazwischen liegt ein radikaler Umbau, in der Regel eine Rosskur für die Beschäftigten mit Entlassungen, Lohnkürzungen, Ar- beitszeitverlängerungen etc.

Hedge-Fonds kaufen sich mit kleinen Beteiligungen in große Börsenunternehmen ein und setzen das Management unter Druck, den Aktienkurs hochzutreiben und hohe Dividenden auszuschütten. Beiden Gruppen von »alternativen« Finanzinvestoren geht es nicht darum, die langfristigen Perspektiven der Unternehmen z.B. durch Investitionen in Forschung und Entwicklung oder Produktdesign zu verbessern. Es geht darum, möglichst schnell möglichst viel Cash aus dem Unternehmen herauszuholen. Was danach kommt interessiert nicht.

Die »Pionier«leistung von Private Equity (Beteiligungskapital) und Hedge-Fonds besteht darin, höhere Profitansprüche in »ihren« Unternehmen durchzusetzen. Ihre Erfolge setzen Maßstäbe und stecken an. Sie zwingen andere Unternehmen dazu, ihrerseits höhere Gewinne zu machen, wenn sie ihre Aktionäre nicht verlieren wollen. Das geht letztlich zu Lasten der Löhne, der Arbeitszeiten und -bedingungen der Beschäftigten in der gesamten Wirtschaft. Die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt und beschleunigt.

Die hohen Einkommen und Gewinne werden aber nicht produktiv investiert, weil sich das wegen der schwachen Massenkaufkraft für die Unternehmen nicht lohnt. Das Geld geht stattdessen mit dem Auftrag der Vermehrung an die Finanzinvestoren. Diese setzen damit neue Runden der Spekulation in Gang. Oder sie investieren in weitere Unternehmen und setzten damit im Namen des »Shareholder Value« eine neue Runde des Drucks auf die Beschäftigten in Gang.

Wo bleibt die Politik? Gegen globale Reformen blockieren die USA. Die EU konzentriert sich darauf, die Finanzmärkte noch weiter zu öffnen und den riskanten Hedge-Fonds den Zugang zu den Anlagegeldern von Pensionsfonds zu erleichtern. Die deutsche Regierung will mehr Transparenz schaffen, die Geschäftsmodelle und die Dominanz der Finanzinvestoren aber nicht antasten.

Erforderlich wäre demgegenüber dreierlei: Erstens sollte die Politik Finanzspekulation dadurch beschränken, dass sie den Verkauf von Kreditpaketen durch Banken verbietet, das Netz öffentlicher Sparkassen und Landesbanken ausbaut sowie auf die Unterstützung der lokalen und regionalen Wirtschaft orientiert. Pensionsfonds und Alterssicherungsvermögen sollten strikt von allen Arten spekulativer Finanzinvestments abgeschirmt werden.

Zweitens ist es erforderlich, Unternehmen wie Beschäftigte vor Ausplünderung durch Finanzinvestoren zu schützen – durch Vetorechte bei Übernahmen oder die Bindung des Stimmrechtes von Finanzinvestoren an eine bestimmte Haltedauer ihrer Kapitalanteile.

Drittens: Das explosionsartige Wachstum der Finanzmärkte und der Druck der Finanzinvestoren sind letztlich auf die Anhäufung großer Kapitalmassen an der Spitze der Gesellschaft und den daraus entstandenen Verwertungsdruck zurückzuführen. Daher liegt die langfristige Perspektive zur Stabilisierung der Finanzmärkte darin, durch Umverteilung von oben nach unten den Druck zu mindern und die Finanzmärkte als wichtige Instrumente der Investitionsfinanzierung in eine demokratische Entwicklungsstrategie einzubinden.

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