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Carl Ordnungs Weltordnung

Der Christ und SODI-Mitgründer möchte »globale Apartheid« überwinden

  • Jochen Reinert
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Berliner Solidaritätsdienst International (SODI) und die Stiftung Nord-Süd-Brücken ehrten am Wochenende in Berlin mit dem Symposium »Leben für Frieden und Solidarität« den engagierten Christen Carl Ordnung, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzende von SODI.
Carl Ordnung referiert beim Symposium über seine Weltordnung.
Carl Ordnung referiert beim Symposium über seine Weltordnung.

Carl Ordnung, vor wenigen Wochen 80 geworden, schaut lächelnd auf die stattliche Gemeinde, die sich um ihn geschart hat. Diesmal sind freilich nicht Brüder und Schwestern der Evangelisch-methodistischen Kirche zusammengekommen, um seine Predigt zu hören. An diesem Wochenende versammelten sich Mitstreiter aus seinem säkularen Lebenskreis solidarischer Hilfe für den Süden, um aus Lebenswerk und Welt-Anschauung des Jubilars Anregung und Ermutigung zu gewinnen.

Im Leben Carl Ordnungs sind nach Worten von Johannes Schöche, seinem Nachfolger im Amt des SODI-Vorsitzenden, mehrere Quellen zusammengeflossen, aus denen Solidarität gespeist wird. Dabei waren christlicher Glauben und Nächstenliebe besonders prägend, wussten die Theologen Giselher Hickel (Berlin) und Dr. Dirk Boer (Amsterdam) aus langjährigem Miteinander zu berichten. In der ökumenischen Christlichen Friedenskonferenz (CFK) empfing Carl Ordnung entscheidende Impulse auch für sein späteres SODI-Amt. Hickel teilt mit seinem alten Mitstreiter die Vision, dass eine andere Welt erstrebenswert sei. Dr. Boer fügt hinzu, dass in den Kirchen – dokumentiert etwa in der Erklärung des Reformierten Weltbundes von Accra – die Kritik an der gegenwärtigen ungerechten Weltwirtschaftsordnung zunehme.

»Wenn Du gekommen bist um zu helfen«, zitiert Hickel eine Weisheit der Aborigines, »verschwendest Du Deine Zeit. Wenn Du gekommen bist, um Deine und unsere Befreiung voranzubringen, dann lass uns zusammenarbeiten.« Die kritische Anregung, über wirkliche Hilfe für den Süden und über den Inhalt heutiger Solidarität nachzudenken, wird an diesem Tag immer wieder aufgegriffen. Walter Hättig, neuer Geschäftsführer der aus Geldern des DDR-Solidaritätskomitees gespeisten Stiftung Nord-Süd-Brücken, betont bei aller Verunsicherung etwa über die Vereinnahmung des Begriffes aus der Arbeiterbewegung durch Ex-Kanzler Schröder (»uneingeschränkte Solidarität mit den USA«) die Notwendigkeit vielgestaltiger solidarischer Hilfe. In Zeiten marktradikaler Globalisierung sieht er auch, wie von Attac praktiziert, »neue Formen internationaler Solidarität« entstehen.

Aborigines in Australien sind keine Zielgruppe von SODI, wohl aber Bedürftige im südlichen Afrika, in Kuba, Nicaragua, Indien oder Vietnam. Der Gesandte Südafrikas, George Johannes, der 1977 als Aktivist des Afrikanischen Nationalkongress (ANC) zur Ausbildung in die DDR kam, erinnert: »Ich habe erlebt, was internationale Solidarität bedeutet – ohne sie wären wir nicht erfolgreich gewesen.« Solche Hilfe sei weiter nötig, immer noch brauchten z.B. Kuba, Palästina und Westafrika unsere Solidarität.

Ähnlich die Erfahrung des namibischen Botschafters Prof. Dr. Peter Katjavivi. Berlin war 1968 der erste Ort seines europäischen Exils. »Vom DDR-Solidaritätskomitee erhielt ich die erste Schreibmaschine für meine Arbeit im Londoner SWAPO-Büro«, berichtet er. Seinem Dank für die Hilfe zur Selbsthilfe, die SODI gegenwärtig in Otjiwarongo und anderswo in Namibia leistet, schließt er an: »Heute ist es wichtig, den Herausforderungen der Globalisierung gemeinsam zu begegnen, um faire Bedingungen internationaler Zusammenarbeit zu erreichen.«

Das ist Carl Ordnung gleichsam aus der Seele gesprochen. Seine Wunsch-Weltordnung sieht anders aus als die gegenwärtige, er plädiert für eine »umfassende Neugestaltung der Weltgesellschaft«. Ebenso wie Südafrikas Präsident Mbeki hält er die derzeitige, von »globaler Apartheid« geprägte Weltwirtschaft nicht für zukunftsfähig. Als einen besonders ruinösen Irrweg betrachtet er die von der Welthandelsorganisation (WTO) praktizierte Förderung des Agrobusiness, die in der Vertreibung von Millionen von Kleinbauern in die Slums der Metropolen des Südens und der ökologischen Verwüstung von Millionen von Hektar Erde münde.

Wer Carl Ordnung kennt, wundert sich nicht, dass der 80-Jährige in den letzten Wochen gleich an drei Konferenzen zu globalen Problemen teilnahm – und dort immerhin Einzelne erlebte, die Lösungen im Rahmen der gegenwärtigen Ordnung nicht für möglich hielten und quasi »die Systemfrage stellten«. Das macht dem engagierten Christen Mut.

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