Verdienst-voll

Hans-Peter Martin

Der EU-Abgeordnete und »Aufklärer« verlor seine Immunität.

Der Vorgang hatte etwas Pikantes: Pünktlich zum 50. Geburtstag des Europäischen Parlaments entzog die EU-Volksvertretung am Mittwoch ihrem Mitglied Hans-Peter Martin die Immunität. Gestolpert war der Österreicher, der sich über Jahre als parlamentarischer Saubermann profilieren wollte, ausgerechnet über Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung der ihm zustehenden »Sekretariatszulage« von monatlich 17 000 Euro. Inzwischen fordert die Parlamentskasse über 160 000 Euro zurück. Die Aufhebung seines »Rechtsschutzes« dürfte für Martin das Ende der europäischen Karriere bedeuten.

Zu Hause droht dem Wiener noch schlimmeres Ungemach. Denn Schuld an den falsch abgerechneten Telefonkosten und Spesen, so der Abgeordnete, hätten allein seine damaligen Steuerberater. Die sahen das aber ganz anders, führten eine ausdrückliche Anweisung ihres Mandanten zum Schummeln an – und verklagten diesen wegen Rufschädigung. Damit droht Martin sogar eine Haftstrafe.

Dabei kommt dem 50-jährigen Abgeordneten durchaus das Verdienst zu, die Themen Spesen, gezinkte Abrechnungen und üppige Zulagen aus den Räumen des Europaparlaments in die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Nach 15-jähriger Tätigkeit als Redakteur und Korrespondent des Nachrichtenmagazins »Spiegel« zog der studierte Rechts- und Politikwissenschaftler 1999 als parteiloser Abgeordneter ins EU-Parlament ein und beschäftigte sich dort mit Haushaltskontrolle und Lobbyismus. Das Lob der Boulevardpresse für den »aufrichtigen Parlamentarier« und den Ärger seiner Parlamentskollegen über den »Nestbeschmutzer« zog sich Martin zu, als er 2004 mit Berichten über mutmaßliche und tatsächliche Spesenritterei, unsaubere Reisekostenabrechnungen und zu Unrecht kassierte Tagungsgelder an die Presse ging. Die Betrugsermittlungen gegen Martin selbst ließen nicht lange auf sich warten.

Dass das EU-Parlament nun in Sachen Spesen und Zulagen Ruhe hat, ist eine Illusion. Ebenfalls gestern ordnete das Präsidium eine umfassende Prüfung von Unregelmäßigkeiten an. Einem internen Bericht zufolge hatten Abgeordnete Gelder für nicht vorhandenes Personal kassiert – aus der »Mitarbeiterpauschale«.

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