Nordzucker angezeigt

Demontage der Fabrik in Güstrow gestoppt

  • Velten Schäfer, Waren
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Warener Anwalt Hans-Jürgen Radisch, Vorstand der Norddeutschen Rüben AG, hat am Donnerstag in Braunschweig Anzeige wegen Subventionsbetrugs gegen unbekannte Mitglieder des Vorstands der Nordzucker AG eingereicht.

Hintergrund ist der Streit um die Zukunft der Güstrower Zuckerfabrik, die die neu gegründete Rüben AG von Mecklenburger Landwirtschaftsbetrieben von Nordzucker kaufen will. Laut Radisch besteht der Verdacht, dass Nordzucker gegenüber der EU bewusst falsche Angaben über die Produktionskapazität der Fabrik gemacht habe, um höhere Restrukturierungsgelder zu erlangen. Um die von der EU auferlegte Verringerung der Produktion um etwa 165 000 Tonnen jährlich zu realisieren, hat Nordzucker im Herbst angekündigt, das Güstrower Werk zu schließen. Laut Nordzucker entspricht die dortige Produktion ziemlich genau den geforderten 165 000 Tonnen. Dies sei gezielt stark übertrieben worden, »um die geforderte Produktionsverringerung allein mit der Schließung von Güstrow abhaken zu können«, so Radisch gestern in Waren/Müritz. Tatsächlich würden nur 100 000 Tonnen im Jahr produziert – damit sei das Werk auch beim Land gemeldet.

Um die 165 000 Tonnen zu untermauern, habe Nordzucker die Rübenkampagne des vergangenen Winters von 90 Tagen auf über 140 Tage ausgedehnt und in Größenordnungen Rüben aus anderen Anbaugebieten nach Güstrow transportiert. Dadurch sei einmalig die Regel-Produktion von 165 000 Tonnen Zucker erreicht worden.

Nordzucker wollte die Anlage in Güstrow bisher ganz abbauen, um rund 100 Millionen Euro Restrukturierungsgeld zu kassieren. Die Rüben AG der Landwirte möchte das Werk aber übernehmen und Rüben zu Dicksaft verarbeiten, der an Bioethanol-Hersteller verkauft werden könnte. Da Dicksaftproduktion nicht unter die EU-Zuckermarktverordnung fällt, könnte so der Rübenanbau in Mecklenburg gesichert werden. Würde Nordzucker das Werk allerdings an einen Nachnutzer verkaufen, flössen aus Brüssel nur 75 Millionen. Die Differenz haben die Landwirte zwar als Kaufpreis angeboten. Dennoch zeigte sich der Konzern bisher nicht interessiert, da er selbst in die Bioethanolherstellung investiert hat. So wurde vor Wochen mit der Demontage begonnen.

Jetzt habe Nordzucker den Abbau überraschend gestoppt, so Radisch. Hintergrund könnte sein: Mehrere Mecklenburger Landwirte, die Aktionäre von Nordzucker sind, haben in Hannover ein Kartellrechtsverfahren angestrengt. Mit der Schließung des Werks missbrauche der Konzern seine marktbeherrschende Stellung. Zudem verstoße der Schließungsbeschluss gegen die Konzernsatzung, die dem Erhalt des Rübenanbaus in Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet sei. Möglicherweise will Nordzucker keine einstweilige Verfügung riskieren, mutmaßte Radisch, der diese Aktionäre vertritt.

Unabhängig von der Zukunft des Werks will die Norddeutsche Rüben AG auf jeden Fall in die zukunftsträchtige Energiegewinnung aus Zuckerrüben einsteigen. Sollte der Deal in Güstrow platzen, sei auch ein dezentrales Konzept mit einer eigenen Bioethanolanlage denkbar, hieß es gestern weiter. Parallel werde schon nach alternativen Standorten gesucht, etwa in Grevesmühlen, Pasewalk und auch im Raum Güstrow. Doch hoffe man, dass die Nordzucker AG wegen gerichtlicher Auseinandersetzungen einlenkt.

Eine jüngst von Brüssel verfügte neuerliche Kürzung der deutschen Zuckerproduktion um weitere sechs Prozent könnte Nordzucker durch einen Kauf und die Schließung der Anklamer Zuckerfabrik realisieren wollen, befürchtet man bei der Rüben AG. Klar sei jedenfalls, dass der dänische Konzern Danisco, dem das Werk in Ostvorpommern gehört, aus der Zuckerproduktion aussteigen wolle.

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