Berlusconi als P2-Logenbruder?

Sicherheitsexperte Daniele Ganser über Italiens geheime NATO-Struktur / Daniele Ganser, Sicherheitsberater des Schweizer Parlaments, ist Autor des Buches »NATO-Geheimarmeen in Europa«

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Berlusconi als P2-Logenbruder?

ND: Silvio Berlusconi ist in Italien wiedergewählt – ein strahlender Saubermann, oder?
Ganser: Ein Mann mit Vorgeschichte! Im April 1981 entdeckte die Polizei in Italien die Freimaurer-Geheimloge Propaganda Due, kurz P2. Das war damals ein großer Skandal. Eine parlamentarische Untersuchung unter Tina Anselmi deckte auf, dass diese P2 eine verschwiegene antikommunistische Vereinigung mit 962 Mitgliedern war, geleitet von Licio Gelli, der wiederum eng mit den USA kooperierte. Die P2 operierte jenseits aller demokratischen Kontrollen, war sozusagen ein »geheimer Staat im Staat«. Ihr gehörten die mächtigsten Italiener an, darunter hochrangige Offiziere der Geheimdienste und der Armee, einflussreiche Industrielle und Bankiers, amtierende und ehemalige Minister. Auch Berlusconi war Mitglied der P2. Die Geschichte zeigt: Der strahlende Saubermann Berlusconi praktiziert auch verdeckte Politik, und das mit Erfolg.

Waren nur Einzelpersonen in das Untergrundnetz der P2 verwickelt?
Neben der geheimen P2 existierte in Italien während des Kalten Krieges auch eine von der CIA aufgebaute Geheimarmee mit dem Namen Gladio. Diese wurde im Auftrag der NATO vom italienischen militärischen Geheimdienst SIFAR geleitet. Sie verfügte über Waffenlager und Sprengstoff und ausgebildete Spezialisten, die verdeckte Operationen durchführen konnten. Gladio und P2 verfolgten in Absprache mit Washington dasselbe Ziel: verhindern, dass die italienischen Kommunisten und Sozialisten an die Macht kommen. Licio Gelli lobte Gladio und meinte, ohne diese Geheimarmee der CIA wäre Italien von den Kommunisten übernommen worden.

Ist eine Verwicklung von Gladio in Terroranschläge in Italien bewiesen?
Offiziell sollte Gladio erst in einem Krieg aktiv werden, wenn Italien von der sowjetischen Armee besetzt wird. Doch de facto hat die Geheimarmee schon in Friedenszeiten den »Feind im Innern«, also die italienischen Kommunisten, bekämpft. Dazu wurden Rechtsextreme eingesetzt. Diese führten Terroranschläge durch wie jener von Peteano 1972. Die Terroranschläge wurden den Linken in die Schuhe geschoben, was diese schwächte, wie der rechtsextreme Terrorist Vincenzo Vinciguerra bestätigte. Die NATO, welche heute erklärt, sie bekämpfe den Terror in Afghanistan, will darüber nicht reden.

Gab es Gladio auch in der Bundesrepublik Deutschland?
Ja, unter anderem wurden in der BRD ehemalige Nazis rekrutiert, um eine antikommunistische Haltung zu garantieren. Die Organisation Gehlen und danach der BND führten das Kommando. Ich habe in meinem Buch auch die mögliche Verwicklung in das Oktoberfestattentat 1980 untersucht. Es gibt Indizien. Gladio-Geheimarmeen gab es zudem in den meisten anderen NATO-Staaten und selbst in neutralen Ländern wie der Schweiz und Österreich.

Der damalige Premier Andreotti versprach 1990 die Auflösung von Gladio. Was sind Ihre Erkenntnisse?
Es kann gut sein, dass Gladio aufgelöst wurde – ein entsprechendes Schreiben des italienischen Geheimdienstes liegt vor. Es ist aber auch möglich, dass neue Geheimarmeen unter neuen Namen aufgebaut wurden. Das Europäische Parlament forderte 1990 eine internationale Untersuchung. Doch dazu kam es nie. Die NATO und die CIA weigern sich, über die Geheimarmeen zu sprechen, daher ist es schwierig zu sagen, wie sich die Lage heute darstellt.

Fragen: Jürgen Elsässer

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal