Bundesgerichtshof: Künftig mehr Rechte von Vätern mit »Kuckuckskindern«

Rechtsprechung

  • Lesedauer: 3 Min.

Jahrelang hatte er geglaubt, die drei Kinder seiner Ehefrau seien von ihm – bis vor fünf Jahren die Wahrheit ans Licht kam: Nicht er, sondern ein anderer hat die inzwischen 12, 14 und 15 Jahre alten Kinder gezeugt – vermutlich der heutige Lebensgefährte seiner inzwischen geschiedenen Frau. Nun kann der Mann aus Niedersachsen den Unterhalt, den er über Jahre hinweg für die »Kuckuckskinder« gezahlt hat, vom biologischen Vater zurückfordern: Der Bundesgerichtshof (BGH) gab seiner Klage statt und schloss zugleich eine kuriose Lücke im Gesetz.

Dass der Mann recht bekommen würde, hatte sich schon in der Verhandlung abgezeichnet: »Die gegenwärtige Rechtslage ist für den Scheinvater mehr als unbefriedigend«, sagte die BGH- Senatsvorsitzende.

Die Ursache dafür liegt zehn Jahre zurück: Bei der Kindschaftsrechtsreform von 1998 hatte der Gesetzgeber das Jugendamt – das früher eigene Befugnisse bei der Vaterschaftsfeststellung hatte – aus dem Verfahren entfernt. »Aus ideologischen Gründen«, so das Gericht, denn damals ging es vor allem um die Stärkung der Position nichtehelicher Mütter.

Die Folge: Der »Scheinvater« seien »faktisch der Willkür der Kindesmutter und des wahren Erzeugers ausgeliefert«, stellt der BGH fest. Zwar ist rechtskräftig festgestellt, dass er nicht der Vater ist – womit er einen Anspruch gegen den wahren Erzeuger auf Rückerstattung der vermutlich in die Zehntausende gehenden Unterhaltsleistungen hat.

Doch der Anspruch ist bisher reine Theorie. Durchsetzbar wird er erst, wenn ein Gericht den wirklichen Vater feststellt. Dass können aber nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch nur dieser selbst, die Mutter oder, vertreten durch sie, die Kinder beantragen. Weder das Jugendamt noch der »Scheinvater« können das Verfahren in Gang bringen – und die Betroffenen haben kein Interesse daran: Sie leben inzwischen zusammen, die Klage könnte sie ruinieren.

Dieses Patt hat der BGH nun aufgelöst: Der »Scheinvater« darf – was bisher nicht möglich war – in Ausnahmefällen die Vaterschaft auch im Regressprozess nachprüfen lassen.

Dabei ist vor nicht einmal drei Wochen ein Gesetz zur Feststellung der Vaterschaft in Kraft getreten. Es war notwendig geworden, weil mit dem Siegeszug der Genanalyse heimliche »Kuckuckskinder«-Tests grassierten und das Bundesverfassungsgericht deshalb vergangenes Jahr eine Lockerung der bisherigen Gesetzeslage angeordnet hatte.

Mit dem neuen Regelwerk ist es zwar leichter geworden, Zweifeln an der Vaterschaft nachzugehen. Doch den wirklichen Erzeuger kann man damit nicht dingfest machen.

Jedenfalls zeigen das Urteil der Verfassungsrichter vom vergangenen Jahr wie auch der neuerliche Spruch des BGH, dass die Gerichte durchaus auch die Position der Väter im Blick haben. Und das Problem der »Kuckuckskinder« rührt an den Kern der Persönlichkeit, wie das Bundesverfassungsgericht damals deutlich machte:

»Das Wissen um die Abstammung des Kindes hat auch maßgeblichen Einfluss auf das Selbstverständnis des Mannes sowie die Rolle und Haltung, die er dem Kind und der Mutter gegenüber einnimmt.»

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