Wie schwer drückt der Name?

Katharina Wagner über Klassik, Castings und Klischees / Die 1978 geborene Urenkelin des Komponisten Richard Wagner will Ko-Chefin der Bayreuther Festspiele werden

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Wie groß ist die Gefahr, als Spross der Familie Wagner nur noch die Erwartungen anderer zu erfüllen?
Wagner: Die erfülle ich selten. Manche erwarten von mir ein über die Maßen gutes Benehmen, andere eine extrem radikale Person, weil mir ein Künstlertum vorauseilt. Mit beidem kann ich nicht dienen. Ich gebe mich normal. Der Name Wagner darf weder zum Privileg noch zum Hemmschuh werden. Und trotzdem passiert das manchmal.

Hätten Sie sich den starken Familientraditionen auch widersetzen können?
Dieser Mythos, der um die Familie Wagner und das Festspielhaus gemacht wird, ist viel mehr Klischee als Wahrheit. Ich bin liberal aufgewachsen. Wenn ich meinem Vater erzähle, die ganze Nacht in der Disko gewesen zu sein, sagt er nicht vorwurfsvoll: »Kind, wie kannst du nur. Du musst dich mit der hehren Kunst beschäftigen!« Vielmehr erkundigt er sich, ob es denn Spaß gemacht hat. Ich hätte auch beruflich etwas anderes machen können. Sollte ich irgendwann mal ein Kind haben, werde ich es genauso liberal erziehen, damit es keinen Schaden kriegt. Man kann schnell in eine verquere Ecke kommen, wenn man seine Verwandtschaft einseitig anbetet.

Wenn Sie als junge Frau ein Opernhaus von Weltrang übernehmen, hat das sicher eine Signalwirkung für Ihre Generation.
Das könnte sein. Das Auftreten der Regisseure hat sich aber ohnehin definitiv verändert. Ich selbst muss auch beim besten Willen nicht die Tradition der Regisseurin im schwarzen Hosenanzug bedienen, um als Künstlerin ernst genommen zu werden. Manchmal wird mir vorgeworfen, mein Auftreten wirke überhaupt nicht künstlerisch. Daran merke ich, welche Klischees es noch gibt. Künstler zu sein hat nichts mit dem Aussehen zu tun. Ich muss nicht ungepflegt sein, weil ich Regisseurin bin. Aber geistreich zu sein und Körperpflege zu betreiben, schließen sich für manche Leute anscheinend leider aus.

»Profi-Provokateur« Christoph Schlingensief hat in Bayreuth den »Parsifal« inszeniert – auf Ihre Empfehlung hin. Braucht die Oper mehr Leute seines Schlages?
Schlingensief verkörpert nicht gerade den typischen Opernregisseur. Das stellt Häuser vor gewaltige Probleme. Aber die Oper braucht frische Denker. Auch Sebastian Baumgarten ist ein charismatischer Typ, der auch gut aussieht. Wieder ein Beispiel dafür, dass ein Opernregisseur heutzutage nicht verfettet und Alkoholiker sein muss.

Wie stehen Sie zu einem Phänomen wie »Deutschland sucht den Superstar«? Wünschten Sie sich solch eine Castingshow auch für den Bereich der Klassik?
Keine Klassik-Castingshow würde jemals solch einen Hype entfachen wie »Deutschland sucht den Superstar«. Dort säße auch kein Dieter Bohlen in der Jury. Um Talente zu entdecken, fährt man rum und hört sich Sänger an. Es gibt genügend hochkarätige Gesangswettbewerbe. Ich würde allerdings schon gerne mal bei DSDS in der Jury sitzen. Allerdings weiß ich nicht, ob sie jemanden wie mich überhaupt wollten. Ich wünschte mir einfach eine produktivere Kritik statt immer wieder dieselben Floskeln wie: »Das hast du toll gemacht.« Oder: »Das war nichts.«

Finden Sie den Spagat zwischen Rammstein und Bayreuth besonders reizvoll?
Ich bin nicht ohne Grund Rammstein-Fan: Die gesellschaftskritischen Texte der Songs regen mich zum Nachdenken an.

Fragen: Olaf Neumann

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