Moskauer Tandem treibt Börse an

Bürokratieabbau und Steuersenkungen für Unternehmen geplant

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Steuersenkungen für Unternehmen sollen Russland ein kräftiges Wirtschaftswachstum bescheren.

Im Moskauer Weißen Haus wird künftig ein erheblich kleinerer Kabinettstisch benötigt. Künftig sollen an den wöchentlichen Beratungen nur noch die sieben Vizepremiers und die siebzehn Fachminister teilnehmen. Veränderungen, die der neue Premier Wladimir Putin damit begründete, dass die neuen Aufgaben nur mit gestrafften und verschlankten Strukturen zu meistern seien.

Das gilt für das dreijährige Entwicklungsprogramm für die Wirtschaft, das am Donnerstag beschlossen wurde und ein Novum für das postkommunistische Russland darstellt. Es gab Zeiten, so Putin schon bei der Vereidigung von Dmitri Medwedjew als Präsident vergangene Woche, wo es nicht einmal möglich war, für ein, zwei Monate zu planen. Die in den letzten acht Jahren vollzogene Trendwende sei eines der wichtigsten Ergebnisse seiner Präsidentschaft.

Markenzeichen seiner Amtszeit als Premier könnte die Rückkehr zur perspektivischen Planung mit ambitionierten Zielen werden. Dazu gehören bis 2010 ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um mindestens 6,5 Prozent, ein Anstieg des monatlichen Durchschnittsverdienstes auf 29 000 Rubel (etwa 790 Euro) und eine Senkung der Inflation von derzeit über zwölf auf deutlich unter zehn Prozent. Russlands Wirtschaft steht zudem eine Diversifizierung bevor, wozu auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds seit langem, bisher vergeblich, drängen. Zwar denkt angesichts der Rekordpreise für Öl und Gas niemand daran, die Förderung zu drosseln. Die Erlöse aus den Rohstoffexporten sollen künftig jedoch verstärkt in den Aufbau einer verarbeitenden und »intelligenzintensiven« Industrie investiert werden. Gleichzeitig will die Regierung russische Investoren unterstützen, die solche Unternehmen in Westeuropa aufkaufen. Dass Moskau dabei auch auf billigen Transfer von Technologien und Know-how hofft, hatte Putin schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht.

Zu den Vorhaben des Wirtschaftsprogramms gehören Steuerentlastungen. Davon sollen insbesondere die Unternehmen der Energiebranche profitieren, die im Gegenzug mehr in die Erschließung schwer zugänglicher Lagerstätten investieren sollen. Bis 2010 soll auch die Mehrwertsteuer von gegenwärtig 18 auf 10 Prozent abgesenkt werden. Dies würde nach Ansicht von Analysten vor allem der IT-Branche und dem Mittelstand zugutekommen, mit deren Vertretern sich Medwedjew am Mittwoch traf.

Gleich danach unterzeichnete er einen von Putin bereits angekündigten Erlass zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Statt sich wie bisher wegen zahlloser Genehmigungen die Hacken wund zu laufen, sollen Gewerbetreibende Laden, Werkstatt oder Café künftig nur noch anmelden müssen. Für Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten werden zudem die Regelungen für Steuerzahlung, Betriebsprüfungen und Immobilienkauf zu gewerblichen Zwecken erheblich vereinfacht. Auch sind der Willkür der Behörden künftig Grenzen gesetzt.

Der russische Aktienindex RTS steigt seit Machtantritt des Tandems Putin-Medwedjew steil – trotz negativen Tendenzen auf den Weltmärkten. Auf die Ankündigung des Wirtschaftsprogramms reagierten die Börsianer mit einem neuen Allzeithoch.

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