Weiter Gefahr im AKW Krsko

Wirrwarr bei Informationspolitik / Slowenien plant vor Ort weiteren Meiler

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Michaela von der Heydt

Nach dem Störfall im slowenischen Kernkraftwerk Krsko ist die Gefahr einer Kernschmelze nicht gebannt, warnen Atomexperten. Das AKW in einem Erdbebengebiet gilt ohnehin als Risikomeiler.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgeworfen, den Vorfall im slowenischen Atomkraftwerk Krsko von Mittwoch in ersten Stellungnahmen heruntergespielt zu haben. Gabriel kritisierte in den ARD-Tagesthemen Meldungen als überzogen und meinte: »Für die deutsche Bevölkerung gibt es keine Gefahr.«

Nach 21 Jahren war am Mittwoch erstmals das Notfallinformationssystem der EU-Kommission ECURIE eingeschaltet und EU-weiter Atomalarm ausgelöst worden. Dass der Begriff Atomalarm möglicherweise übertrieben war, räumt der Sprecher der EU-Kommission in Berlin, Harald Händel, ein, rechtfertigt aber den Einsatz von ECURIE. Schließlich habe die Kommission besonders nach den AKW-Störfällen in Deutschland besonders viel Transparenz zugesagt.

Die Meldung nach Brüssel zeigt nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganistion IPPNW, dass auch Slowenen den Vorfall zumindest zwischenzeitlich als extrem gefährlich eingeschätzt haben. Auch die internationale Atomenergiebehörde in Wien war am Mittwochabend eingeschaltet worden. Inzwischen wiegelt Sloweniens Umweltminister Janez Pubodnik allerdings ab: »Es ist in den kommenden Tagen nur eine sehr kleine Reparatur nötig«, sagte er am Donnerstag am Rande eines EU-Umweltministertreffens in Luxemburg. Es habe keinen Anlass für Schutzmaßnahmen gegeben.

Primärkreislecks aber sind laut IPPNW-Atomexperten Henrik Paulitz »alles andere als alltäglich«. Im US-AKW Harrisburg sei es 1979 wegen Kühlmittelverlusts zu einer Teil-Kernschmelze gekommen. Greenpeace-Atomexperte Thomas Breuer erklärte gegenüber ND: »Die Gefahr einer Kernschmelze ist durch das Herunterfahren des Reaktors keineswegs gebannt.« Kühlwasserverlust könne eine Kernschmelze gar beschleunigen. Wie lange die Gefahr besteht, hatte Greenpeace 2001 für ein potenzielles Flugzeugunglück auf einen abgeschalteten Reaktor errechnet. Ohne frische Wasserzufuhr beginnt das vorhandene Kühlwasser selbst bei einem Absturz – ein Jahr nach dem Herunterfahren – schon einen Tag später zu kochen.

Der vor 31 Jahren vom US-Konzern Westinghouse für Jugoslavien erbaute Meiler befindet sich auf slowenischem Territorium, gehört aber zur Hälfte Kroatien. Wegen der veralteten Technik und weil das AKW in einem Erdbebengebiet steht, fordern Umweltschützer seit Jahren dessen Abschaltung.

Der Fall zeigt erneut, wie anfällig die Atomkraft ist und wie unverantwortlich, dass auch in Deutschland Politiker von CDU/CSU und FDP wieder auf diese Technik setzen, sagt BUND-Energieexperte Thorben Becker. Er kritisiert besonders slowenische Pläne, in Krsko ein neues AKW bauen zu wollen. Nach Angaben der slowenischen Atomaufsicht ist bisher keine Radioaktivität ausgetreten. Ob es aber innerhalb des Reaktors zu Verstrahlungen gekommen ist, bleibe offen. Auch Österreichs Umweltminister Josef Pröll ist erbost und sieht das Vertrauen in die slowenische Informationspolitik »massiv in Frage gestellt«. Slowenien hatte zunächst eine Übung gemeldet und dann erklärt, das falsche Meldeformular verwendet zu haben. Auch in Kroatien wird Unmut laut. Der Chef des Krisenstabs in Zagreb, Pavle Kalinic, sagte, er habe vom Zwischenfall erst von »Freunden aus Österreich erfahren«. Der Reaktor sei eine ständige Bedrohung für die Bevölkerung. Das AKW hatte zuletzt 1992 für Negativschlagzeilen gesorgt, als bei einer internationalen Kontrolle viele Fehler festgestellt worden waren.

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