Die Tiere bestimmen das Programm

Zwischen Teneriffa und La Gomera kann man Delfinen und Walen umweltverträglich näher kommen

  • Sebastian Köhler
  • Lesedauer: 5 Min.

»Da springen welche, große und kleine!«, rufen die Kinder ganz vorne im Bug des Katamarans. Und tatsächlich – Imke Ihde, die deutsche Meeresbiologin an Bord der »Freebird One«, erklärt, dass es sich bei den gerade auftauchenden Meeressäugern um die hier eher seltenen Atlantischen Gefleckten Delfine handele. Sonst treffe man mehr auf Große Tümmler oder auch auf den Gemeinen (weil weit verbreiteten) Delfin.

Die Meeresenge zwischen den kanarischen Inseln Teneriffa und La Gomera zählt neben den Gewässern vor der Ostküste der USA zu jenen Gebieten der Erde, wo sich die meisten und verschiedensten Wale und Delfine aufhalten und beobachten lassen. Das Beobachtungsschiff, das vom Hafen Puerto Colon aus startet, sei, so die Meeresbiologin, eine umweltfreundlich Art, auf sogenannte Whale-Watching-Tour zu gehen.

Laut Angaben von Reiseagenturen begeben sich im Gebiet der Kanaren jährlich etwa eine Million Menschen auf Wal-Beobachtungstour. Biologin Ihde, die mit ihrem Mann, einem Taucher, und ihren zwei Töchtern seit Jahren auf Teneriffa lebt, sieht die einmalige Vielfalt der Meeressäuger hier mittlerweile in Gefahr, »weil etliche Bootsführer die gesetzlichen Regelungen kaum beachten«. Besonders problematisch seien das Bedrängen und regelrechte Verfolgungsjagden, um gute Bilder oder gar Berührungen der Tiere zu ermöglichen.

Eine Gruppe von mehreren Dutzend Delfinen umkreist das Boot. Muttertiere mit Jungen (die mehrere Jahre zusammenbleiben) sind gut zu erkennen. Immer wieder springen die Tiere flach aus dem Wasser. Auch Steilsprünge vollführen sie, allerdings in einigem Abstand zu den Kameras. Delfine zeigen sich oft neugierig, und nur Experten können einschätzen, inwieweit die Nähe der Menschen Stress für die Tiere bedeutet. Imke Ihde versucht, einen umweltverträglichen Kurs zu fahren: »Eine unserer Regeln ist, einen Mindestabstand von 60 Metern einzuhalten. Die Tiere sollen möglichst selbst über die Situation bestimmen können!«

Die Eigner der »Freebird One« hatten deshalb ab 2001 gemeinsam mit dem Reisekonzern TUI, der spanischen wissenschaftlichen Gesellschaft für Wale und Delfine (Cetaceos) und dem deutschen Naturschutzverein »M.E.E.R. e.V.« begonnen, Richtlinien für ein nachhaltiges »Whale Watching« zu erarbeiten. Alejandro Hidalgo, der Umweltbeauftragte von TUI Spanien, erklärt, dass die Fischer der Kanaren nie Jagd auf Wale gemacht hätten, wie es anderswo Tradition war und zum Teil bis heute ist. Andererseits seien die touristischen Erkundungsfahrten hier mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden – »aber das sollen sie ja auch in zehn und 100 Jahren noch sein!«. Deshalb sei man froh, dass jetzt viele der Veranstalter zumindest offiziell mit im Boot seien und sich zu den Beobachtungsregeln bekennen: »Wir schulen die Besatzungen und Reiseführer. Maximal drei Boote sollten gleichzeitig im Umkreis von 300 Metern um eine Walgruppe herum sein.« Boote wie die »Freebird One« fahren, so Hidalgo, angesichts ihrer Größe mit isoliertem Motor und kleiner Drehzahl, damit die Tiere die Chance haben, die Fahrzeuge über Echolot zu orten und sich entsprechend zu verhalten.

Insgesamt sieht der Umweltverantwortliche Hidalgo auf und um Teneriffa positive Tendenzen, dem Naturschutz gerecht zu werden. Etwa die Hälfte der Insel stehe mittlerweile offiziell unter Naturschutz, und man strebe jetzt ein zusammenhängendes Schutzgebiet für Wale und Delfine in dieser Region an. Dabei seien nicht zuletzt deutsche Touristen – insbesondere Familien mit Kindern und deren Begeisterung für Wale, Delfine – wichtige Ansprechpartner und Zielgruppen.

Das scheint sich an Bord beim Delfine-Schauen zu bestätigen: Ein rüstiger Großvater aus Süddeutschland mit Enkelsohn erklärt, den relativ hohen Preis (50 Euro und 20 für das Kind, wovon laut Veranstaltern ein fester Spendenanteil direkt an die spanische Walschutzgesellschaft geht) für diese Tour im Vergleich zu Billiganbietern »gern bezahlt« zu haben, »wenn es den Tieren und den Kindern nützt.« Ein junges Pärchen aus Berlin meint, Umweltschutz sei »nicht zum Nulltarif« zu haben und »wir haben uns ganz bewusst für diese Tour mit studierten Experten und festen Regeln entschieden«.

Nach etwa 15 Minuten Bootsbegleitung ziehen sich die Atlantischen Gestreiften Delfine wieder in die Weiten des Ozeans zurück. Imke Ihde ist jetzt, bei flotterer Fahrt, damit beschäftigt, Ausschau nach größeren Tieren zu halten – auch rund 500 Pilotwale sind zwischen Teneriffa und La Gomera zu Hause. »Es ist nicht einfach, sich ihnen artgerecht zu nähern. Da die Wale vor allem nachts auf Jagd sind, ruhen sie sich tagsüber oft aus.« Dabei wolle und dürfe man die Tiere nicht zu oft stören. »Zu unseren Regeln zählt deshalb, den Tieren nicht ihre natürlichen Fluchtwege abzuschneiden, nicht in ihrer Nähe zu baden oder zu tauchen und die Wale natürlich auch nicht zu füttern, zu streicheln oder gar zu bewerfen.«

Deshalb könnte die an diesem Tag gescheiterte Suche nach größeren Walen durchaus in Richtung eines langfristigen Happy Ends für das kanarische »Whale Watching« weisen: Natürliche Enttäuschungen scheinen (neben der Höhe und den erklärten Zwecken des Obolus) ein erträglicher Preis für das offenbare Bemühen vieler hier Beteiligter um eine relative Umweltverträglichkeit.

Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel.: (030) 882-65 43, Fax: -66 61, www.spain.info
Schiffsagentur »Freebird One«: Local 227 B, Puerto Colon, E-38670 Adeje, Tel.: (0034) 922-71 68 64, Fax: -72 40 52, E-Mail: info@freebirdone.com
Spanische Gesellschaft zum Schutz der Wale und Delfine »Sociedad Espanola de Cetáceos«, Tel.: (0034) 928 80 45 98, E-Mail: urquiola@cetaceos.com, www.cetaceos.com

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