Bienensterben noch nicht gebannt
Rheintal-Imker beklagen zu geringe Entschädigung / Verantwortliches Gift wieder zugelassen
Romana Schneider und Wolfgang Rath aus Vogtsburg haben im Frühjahr dieses Jahres bis auf wenige Ausnahmen alle ihre Flugbienen verloren. Sie wurden Opfer des hochwirksamen Insektenmittels Clothianidin, das zur großflächigen Bekämpfung des im Rheintal neu aufgetretenen, erntevernichtenden Maiswurzelbohrers bei der Saatgutbeize verwendet worden war. Der bei der Aussaat mit Druckluftkompressoren frei werdende Giftstaub trieb kilometerweit bis in die Obstanbaugebiete rund um den Kaiserstuhl und raffte alle dort stationierten Bienenvölker dahin.
Nach vielen Monaten sei nun Geld eintroffen, bestätigen Imker. Doch das ersetze höchstens zwei Drittel des Schadens, sagt Biobäuerin Schneider – kaum genug, um jetzt für das kommende Jahr ihre Völker wieder aufzubauen. Zusammen mit dem baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium hatte der Insektizid-Hersteller Bayer den betroffenen Imkern zwischen 80 und 360 Euro pro Bienenvolk angeboten. Insgesamt wurde eine Summe von zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Ablehnungen habe es keine gegeben, verkündete kürzlich Landesagrarminister Peter Hauk (CDU). Doch die Imker hätten dann klagen und folglich noch länger warten müssen.
Jetzt droht neues Unheil, weil das Pestizid erneut für die im Spätsommer anstehende Rapssaat freigegeben wurde, sagt Romana Schneider verärgert. Sie bezweifelt, dass das ohne Giftabdrift geschehen könne, wie Industrie und Politiker versichern. Es sei unverantwortlich, so ein starkes Gift in der Landschaft zu verteilen. Noch drastischere Folgen befürchtet der Berufsimker Armin Spürgin aus Emmendingen am Fuß des Schwarzwalds. Auch er kann mit der jetzt erhaltenen Entschädigung seine dezimierten Bienenvölker nicht wieder im gleichen Maß aufbauen. Zudem ist er sich sicher, dass das bei der Maisaussaat verwendete Clothianidin nicht nur im Boden wirkt, sondern sich in der Pflanze verteilt. Das sei ja beabsichtigt, um später den speziell die Maisblüte angreifenden Maiszüngler mitbekämpfen zu können. Das Gift gelange in die Pollen und werde zur Gefahr für die fliegenden Honigsammler. Das wiederhole sich dann während der Rapsblüte im kommenden Frühjahr. Die gifthaltigen Pflanzen seien ohnehin nicht für den Verzehr bestimmt sondern dienten als nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung in Biogasanlagen oder der Herstellung von Biodiesel.
Jahr für Jahr in den Boden eingebracht, werde eine ganze Landschaft nachhaltig vergiftet, warnt Spürgin. Er bezweifelt, dass da nichts ins Grundwasser abgeschwemmt wird, wie die Hersteller behaupten. Und wenn der Boden erst vergiftet sei, könnten auch keine Lebensmittelpflanzen mehr angebaut werden. Das könne nicht im Interesse der Bevölkerung sein.
Noch stuft der Imker das Bienensterben im Mai als Unfall ein. Sollten Industrie und Politik die Handhabung nicht in den Griff bekommen, werde es aber in den nächsten Jahren ein Bestäubungsproblem geben, prophezeit Spürgin. Sei es, weil neben Bienen auch andere bestäubende Insekten wie Hummeln und Schmetterlinge umkommen – oder aber die Züchter resigniert aufgegeben haben.
Pestizidlast
Die Pestizide aus dem Maissaatgut und anderen Quellen belasten nicht nur die Bienen. Wissenschaftler der Penn State University in den USA berichteten kürzlich auf der Jahrestagung der US-Chemikergesellschaft, dass sie in Bienen und in Blütenpollen erhöhte Werte von insgesamt 171 Pestiziden fanden. Bei den USA-weit gesammelten Proben wurden in den Bienen jeweils mindestens ein Pestizid, in den Pollenproben durchschnittlich 31 nachgewiesen. Einige der Mittel waren zwar Antimilbengifte, die dem Schutz der Bienen dienen, doch einige der Gifte sind auch noch im Honig enthalten.
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