Falsche Debatte um Fälschungen

Mediziner und Apotheker initiieren Pilotprojekt gegen gefälschte Arzneien

  • Gabriele Lohß
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf ihrem Herbstsymposium debattierte die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) das Thema Medikamentenfälschungen. Die EU-Kommission hatte kürzlich ihr geplantes Pharmapaket, das auch neue Regelungen zur Arzneimittelsicherheit enthalten soll, verschoben.

In dieser Woche wollte EU-Industriekommissar Günter Verheugen eigentlich seinen neuen Gesetzesentwurf zum Arzneimittelmarkt vorstellen. Das wurde aber aus unbekannten Gründen verschoben. Unter anderem soll in diesem Paket geregelt werden, ob Hersteller von Medikamenten zukünftig in Zeitungen und Zeitschriften für rezeptpflichtige Produkte werben dürfen. Die Industrie befürwortet das, aber Ärzte und Verbraucherschützer sprechen sich gegen solche gesetzlichen Lockerungen aus. Eine Unterscheidung zwischen Information und Werbung sei durch Gesetzesvorschriften kaum zu gewährleisten und von Verbrauchern schwer zu durchschauen, warnt die pharmakritische BUKO-Kampagne.

Unseriöse Online-Werbung

Ein anderer Schwerpunkt des Gesetzentwurfs soll die Arzneimittelsicherheit sein. Letztes Jahr brachte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – unterstützt von Arzneiherstellern – in ihrer Kampagne IMPACT das Thema Medikamentenfälschung verstärkt in die Öffentlichkeit. Zehn Prozent der Medikamente auf dem Markt seien gefälscht, warnte die WHO. Das glauben auch die Internisten. Auf ihrem Herbstsymposium am Mittwoch in Wiesbaden wurden die Gefahren der Medikamentenfälschung erneut in den Mittelpunkt gestellt. Besonders vor dem Erwerb von Arzneien im Internet wird gewarnt. Dort können verschreibungspflichtige Medikamente bei einigen Händlern ohne Rezept erworben werden, heißt es bei der DGIM. Wer aber auf solche Angebote eingehe, sei selber schuld, wenn er einem Betrug aufsitze, meint Experte Jörg Schaaber von der BUKO- Pharma-Kampagne. Es gelte, zwischen fadenscheiniger Online-Werbung und seriösen Internetapotheken zu unterscheiden.

Arzneien kennzeichnen

Die Teilnehmer der DGIM-Konferenz setzen sich für verschärfte Regelungen ein, um Medikamentenfälschung vorzubeugen. Zusammen mit Ärzten und Apothekern schlagen sie ein Pilotprojekt vor, bei dem alle Arzneimittel mit einem 2 D-Code gekennzeichnet werden und Informationen zum Produkt und Hersteller tragen sollen.

Auch Verheugen will eine ständige Rückverfolgbarkeit zwischen Hersteller und Patient mittels eines Sicherheitszeichens ermöglichen. Außerdem soll ein Siegel verhindern, dass die Schachtel auf dem Weg vom Hersteller zum Patienten geöffnet werden kann. Für Händler bedeutet das allerdings, im Ausland preisgünstig gekaufte Medikamente nicht mehr in Packungsgrößen umpacken zu dürfen, wie sie für den deutschen Markt typisch sind. Mit den geplanten Regelungen sollen auch die legalen und gut kontrollierten sogenannten Parallelimporte von Arzneimitteln mit gleichen Wirkstoffen aus anderen Ländern erschwert werden. Auf einen wichtigen Aspekt der Fälschungsdebatte verweist Jörg Schaber: »Die Markenhersteller nutzen die Fälschungsdebatte, um preiswerte Medikamente schlecht zu reden. Besonders beliebt bei Fälschern seien seiner Meinung nach gerade die teuren Markenarzneimittel, die eine höhere Gewinnspanne versprechen. Auch Generika, Medikamente die nach Ablauf der Patente des Originals von Billigherstellern produziert werden dürfen, sind nach Untersuchung der BUKO-Pharma-Kampagne nicht vor Fälschung gefeit. Sie unterliegen zwar denselben Qualitätskriterien wie die Markenprodukte, werden aber in der geführten Debatte oftmals mit Fälschungen in einen Topf geworfen.

Preissenkung schützt

Wie eine Studie der BUKO-Pharma-Kampagne zeigte, sind die von deutschen Herstellern in Ländern der Dritten Welt angebotenen Medikamente zu 39 Prozent schlecht wirksam oder gefährlich. Vor dem Hintergrund, dass sich ein Drittel der Weltbevölkerung keine Arzneimittel wegen der überhöhten Preise leisten kann und Deutschland im Vergleich zu Entwicklungsländern kaum von Medikamentenfälschung betroffen ist, lässt die Debatte in einem anderen Licht erscheinen. »Der beste Schutz«, sagt Jörg Schaaber, »ist immer noch eine Preissenkung der Medikamente, denn die macht Fälschungen unattraktiv.«

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