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Wandersmann

Der Musiker Peter »Cäsar« Gläser ist tot

  • Gunnar Decker
  • Lesedauer: 2 Min.

Nun also auch er, der liedhafte, der scheinbar für ewig Jugendliche mit seinen langen Haaren, der sich bis zuletzt seine androgyn-erotische Ausstrahlung bewahrt hatte. Mythos »Renft«. Und Peter Gläser war als »Cäsar« die Gegenstimme zu »Monster« (dem wilden Thomas Schoppe). Durch ihn blieb das Lied hörbar im lauten Protestschrei des Rock. Unbeirrbar intensiv in seiner melodiösen Zurückhaltung: ein Poet, dem Lautstärke ein Fremdwort war, ein Kind unter lauter wilden Männern.

Peter Gläser gab den Texten von Kurt Demmler eine Stimme, deren zarte Eindringlichkeit die Liebe in Zeiten staatlicher Gewalt verteidigte. »Wer die Rose ehrt« oder »Wandersmann« wurden zum Prolog der sanften Revolution von 1989. Damit beschwor »Renft« Mitte der 70er Jahre den Anspruch der Utopie. In der DDR blieb solch Intensität des Hoffens genehmigungspflichtig. »Renft« jedoch erwies sich als unzähmbar. Mit diesen Musikern konnte man sich als DDR-Jugendlicher stärker identifizieren als mit dem egomanen Wolf Biermann – dies hier war Teil eines gemeinsamen Aufbruchs. Dass der Staat den so ehrlich-selbstverständlichen (wenn auch naiven) Anspruch, nicht auf Mit-, sondern Selbstbestimmung einfach unter Strafe stellte, das verziehen wir ihm nicht – daran sollte er zu Grunde gehen. Die Band wurde verboten, einige der Musiker kamen ins Gefängnis, schließlich trafen sich alle – wider Willen – im Westen wieder. Einen Resonanzboden für ihre Musik fanden sie dort nicht. Mit »Cäsar und die Spieler« war Peter Gläser nach der Wende wieder präsent, aber die alten »Renft«-Titel erwiesen sich immer – Segen und Fluch zugleich – stärker als die neuen.

Vor zwei Jahren stellte »Cäsar« seine Autobiografie vor (erschienen im Militzke Verlag). Er sprach auch darüber, wie er IM der Staatssicherheit wurde. Seine Bandkollegen wussten das längst, sie hatten es ihm auch längst verziehen – aber er sich nicht. Ohne Lüge leben, dieser Anspruch hat etwas Selbstquälerisches, zuletzt jedoch immer Befreiendes. Das ist die Botschaft, die bleibt. Ende letzten Jahres erkrankte Peter Gläser an Krebs. Zu seinem 60. Geburtstag in wenigen Wochen plante er dennoch ein Konzert. Am Donnerstag starb er in einer Leipziger Klinik. Foto: dpa

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