Umgang mit Patientenverfügungen bleibt umstritten

Bundesjustizministerin Zypries (SPD) kritisiert neuen Gesetzentwurf als »Überbürokratisierung des Lebensendes«

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Diskussion über die gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen hält nach der Vorlage eines weiteren Gesetzentwurfs an.

Hamburg/Berlin (ND/epd). Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wirft einer Abgeordnetengruppe um den stellvertretenden Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach (CDU) und Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) vor, mit ihrem Entwurf das Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu übergehen.

Eine Patientenverfügung ist die schriftliche Willenserklärung eines Menschen, der sich etwa wegen Bewusstlosigkeit nicht mehr zu einer medizinischen Behandlung äußern kann. Sie soll die Selbstbestimmung in Behandlungsfragen bis zum Lebensende sichern.

Bislang liegen zwei Gesetzentwürfe für Patientenverfügungen vor, die jeweils von Abgeordneten mehrerer Fraktionen unterstützt werden. Zypries kritisierte den am Dienstag vorgelegten Entwurf der Abgeordnetengruppe um Bosbach und Göring-Eckardt. Dieser bedeute eine »Überbürokratisierung des Lebensendes«, sagte die Ministerin dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. »Wenn der eindeutige Wille der Menschen allein nicht zählt, sondern Bürokratie, Betreuer und Vormundschaftsgerichte zwingend eingeschaltet werden, dann schränkt dies das Selbstbestimmungsrecht massiv ein«, sagte Zypries. Sie äußerte »erhebliche Zweifel, ob der Bosbach-Entwurf verfassungsrechtlich in Ordnung ist«.

Die Gruppe um Bosbach will für eine volle Geltung von Patientenverfügungen ärztliche Beratung und notarielle Beglaubigung, die Bestellung eines Betreuers sowie in vielen Fällen die Einschaltung eines Vormundschaftsgerichts vorschreiben. Zypries fordert hingegen, derartige Verfügungen sollten unmittelbar gelten. »Wenn Menschen Angst haben müssen, gegen ihren Willen behandelt zu werden, kann das Wasser auf die Mühlen derer sein, die Sterbehilfe ausweiten wollen«, warnte die Justizministerin. Notfalls sei es besser, an der heutigen Rechtslage festzuhalten. Eine Verschlechterung werde sie nicht mitmachen.

Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, fordert die Rücknahme aller Gesetzentwürfe zur Patientenverfügung. Der Ärztefunktionär bekräftigte seine Kritik an allen Gesetzesentwürfen. »Die Abgeordneten haben sich verrannt«, sagte Montgomery dem Nachrichtenmagazin »Focus«. Auch der nun vorliegende Bosbach-Entwurf zwinge nur »geltendes Recht in ein überflüssiges, sehr bürokratisches Schema«.

Die geltende, durch Gerichtsurteile und Richtlinien der Bundesärztekammer geformte Rechtslage sehe vor, dass sich der Arzt nach dem Willen des Patienten richten müsse, wenn dieser klar erkennbar sei. »Hat der Kranke eindeutig verfügt, dass bestimmte Angehörige für ihn sprechen dürfen, gilt deren Wort. Bei Dissens kann das Vormundschaftsgericht entscheiden«, so Montgomery.

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