Frisches Geld, faule Kredite

  • Waltraud Engelberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Na, wenn das nichts ist: frisches Geld gegen faule Kredite. Wo wir doch sonst nur hinter frischem Obst und Gemüse her sind, duftenden Äpfeln oder würziger Petersilie. Aber das kann man sich ja alles selbst besorgen, wer aber hat schon frisches Geld in der Tasche? Es ist ja meistens gefaltet, oft schon zerknittert und manchmal an den Ecken lädiert. Nun aber wird, und zwar mit Inbrunst, »frisches Geld« angeboten, schön gebündelt gleich im Paket, warum greifen die denn da nicht eifriger zu, die tun doch sonst nicht so g’schamig?

Was dabei so ein Paket nicht alles sein kann, wenn es »verabschiedet« ist: ein Notpaket, ein Beruhigungspaket, eines zur Sanierung, ein Rettungspaket, ein, so der letzte Befund, »Finanzrettungspaket«. Und überreicht wird es unter dem aufgespannten »Schutzschirm des Staates«, so ist es von Frau Merkel und Herrn Steinbrück versprochen. Wer diesen Schutzschirm nicht besitzt, ihn nicht in der ozonhaltig-frischen Meeresluft Islands aufspannen kann, der ist übel dran. Denn wer oder was hilft dann, wenn die Spekulationsblasen platzen? Im Englischen spricht man lautmalerisch noch eindrucksvoller von den bubbles. Der Überdruck in diesen bubbles kann so stark werden, dass sie beim Platzen sogar Banken in »gefährliche Schieflagen« bringen oder sie sogar »angeschlagen« machen können. Wo ohnehin schon so vieles angeschlagen ist, etwa die Autoindustrie. Auch die Stimmung kann demzufolge »angeschlagen« sein oder der Bahnvorstand, sogar ein Minister, der Herr Tiefensee zum Beispiel, kann »angeschlagen sein«. Da wird es doch hohe Zeit, dass man etwas »abfedert«. Man kann doch wohl nicht zulassen, dass so vieles »heruntergefahren« wird. Die Produktion etwa, wenn zu wenig Gewinne »eingefahren« werden, dann müssen die Werte »heruntergefahren« werden und die Zuschüsse auch. Wenn man eine falsche »Strategie fährt«, dann müssen schließlich sogar die »Privilegien zurückgefahren werden«. Wir leben im Autozeitalter, wo ein Intendant sogar einen »Erfolg einfahren kann«, die Literatur allerdings mitunter ihr sozialkritisches Engagement »herunterfährt«. Immer fahren wir auf etwas ab.

Versuchen wir’s halt mal mit Geld, denn es hat, wie die Werbung verspricht, die nicht allzu weit von der Politik entfernt ist, diese Chance verdient. So nehmt es bloß endlich an, das frische Steuergeld des Staates, denn die Steueroasen – Liechtenstein, Monaco, die Schweiz, um nur ganz wenige zu nennen – sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Da erholen sich die hinterzogenen Steuern mehr als der Steuerzahler, der das frische Geld aus prekären Verhältnissen heraus lockermachen muss. Natürlich darf man nicht in eine weitere »Schuldenfalle« tappen, sondern macht Verträge, in denen man die Dinge dann in »trockene Tücher« bringt, wie ein frischgewaschenes Baby, das man nach dem Bade abrubbelt. Man erinnert sich dunkel, dass es mal Ärzte am Krankenbett des Kapitalismus gab, aber das waren wahrscheinlich die falschen, denn die Krankheit ist ja wiedergekommen, vielleicht war sie auch unheilbar. Auf jeden Fall versucht man es jetzt mit »Regulierern«, und die regulieren gerade das »globale Casino«, von dem oft die Rede ist.

Die Metallarbeiter wollen es gegenwärtig gar nicht so spielerisch sehen. Dabei sollten sie zunächst einmal überprüfen, ob sie durch »Kaufunlust« oder »Kaufzurückhaltung« nicht selbst wirtschaftsschädigend wirken. Die »bildungsfernen Schichten« im »Prekariat« richten da ohnehin schon Schaden genug an und verhindern, dass ausreichende Gewinne »eingefahren« werden.

Es ist hohe Zeit zu handeln, denn schon wieder, nach Halloween, ist ein Gespenst gesehen worden, nein, das alte ist es nicht, es geht nicht nur um in Europa, sondern auch in Asien, und es heißt schaurigerweise das »Gespenst der Rezession«.


Niedrig gilt das Geld auf dieser Erden
Und doch ist sie, wenn es mangelt, kalt.
Und sie kann sehr gastlich werden
Plötzlich durch des Gelds Gewalt.

Eben war noch alles voll Beschwerden
Jetzt ist alles golden überhaucht.
Was gefroren hat, das sonnt sich
Jeder hat das, was er braucht.

Rosig färbt der Horizont sich
Blicket hinan: Der Schornstein raucht!

Aus Bertolt Brechts
»Lied von der belebenden Wirkung des Geldes«
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