Gefühlte Wahrheiten

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 1 Min.

Niedersachsens Premier Wulff nannte den allgemeinen Unmut gegen hohe Managergehälter: »Pogromstimmung«. Der Wirtschaftsforscher Sinn zum gleichen Thema: Einst hätte es »Juden getroffen, heute Manager«. Hamburgs Kultursenatorin von Welck unterließ fahrlässige Vergleiche, versuchte aber, die Inszenierung von Weiss' »Marat« in Hamburg zu zensieren: Dort werden 24 Millionäre der Hansestadt verlesen. Drei Stimmen, dreimal erfolgte eine Entschuldigung, dreimal nur nach Druck. Seltsam, wie ungelenk Politiker gefühlte Wahrheiten begreifen.

Im Namen des Volkes gewählt werden, aber ihm derb in die Parade fahren, wenn es den Volksmund aufmacht! Die Mehrheit als Wahlhelfer hofieren, diese aber sofort in politisch böse Kontexte bringen, wenn sie angeblich unkorrekt reagiert! Die Demokratie hält vieles aus, aber derzeit ist ahnbar, wie schnell ihre Repräsentanten rigide werden, wenn es an Grundfeste geht. Leute mit viel Geld sind Grundfeste. Hartz-IV-Empfänger nicht. Deshalb durfte Wirtschaftsminister Glos vor einiger Zeit eine »Arbeitspflicht« anmahnen, die vielen nach »Arbeitsdienst« und »Arbeitslager« klang. Er musste sich nicht entschuldigen. Und natürlich spricht niemand von einer Pogromstimmung gegen sozial Schwache. Was herrscht, mutet weit schlimmer an: Es ist eine Programmstimmung.

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