Berlusconis neuer »autoritärer Akt«

Premier will Rechte der Opposition abbauen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit eh und je ist es im italienischen Parlament Brauch, dass die Kontrollausschüsse von Abgeordneten geleitet werden, die von der Opposition ausgesucht werden. Das hat auch nie zu Problemen geführt. Bis jetzt.

Silvio Berlusconis Partei Volk der Freiheit hat das ungeschriebene Gesetz gebrochen. »Ein autoritärer Akt wie in einem autoritären Regime«, erklärte der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Walter Veltroni. Vor fünf Monaten fand im Palazzo Montecitorio in Rom, wo die Abgeordnetenkammer ihren Sitz hat, die erste Abstimmung statt, um den Vorsitzenden des Kontrollausschusses über die RAI, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, zu wählen. Wie es seit Jahrzehnten Usus ist, bestimmte die Opposition ihren Kandidaten, Leoluca Orlando, ehemals Bürgermeister von Palermo und auch in Deutschland wegen seines Engagements gegen die Mafia bekannt. Orlando ist Sprecher der Partei Italien der Werte des Antikorruptionsrichters Antonio di Pietro.

Schon bei der ersten Abstimmung stellten sich die Regierungsparteien quer: Orlando sei »nicht präsentabel«, vor allem weil er einer Partei angehöre, die den Ministerpräsidenten permanent beleidige. Auch bei den folgenden Sitzungen verhinderten die Vertreter der Mehrheit die Wahl Orlandos – gleich 44 Mal. Und sie forderten die Opposition auf, einen anderen Kandidaten auszuwählen oder gleich eine Reihe von Kandidaten zu benennen, aus der man sich dann den aussuchen könne, der am besten passt.

Die drei Oppositionsparteien (die Demokratische Partei, die Christdemokraten und Italien der Werte) weigerten sich. In einer Demokratie gehe nicht es nicht an, dass sich die Machthaber ihre eigene Opposition aussuchten oder darüber bestimmen, wie diese sich zu verhalten hat. Mittlerweile interessierten sich auch die höchsten Ämter im Staat für die Pattsituation im Kontrollausschuss.

Selbst Staatspräsident Giorgio Napolitano wandte sich in einem offenen Brief an alle Beteiligten und forderte die schnellstmögliche Lösung der Angelegenheit. Denn schließlich ist dieser Kontrollausschuss in der augenblicklichen Situation in Italien extrem wichtig: Keiner kann vergessen, dass Berlusconi Eigentümer praktisch des gesamten Privatfernsehens im Land ist und durch die Regierung einen enormen Einfluss auf die RAI ausüben kann. Wenn er jetzt auch noch den Vorsitzenden des Kontrollausschusses bestimmt, fällt der letzte kleine institutionelle Baustein weg, der dem absoluten Fernsehmonopol im Wege stehen könnte.

Jetzt das – vorläufig – letzte Kapitel der ganzen Sache. Die Mehrheitsparteien beschlossen den Handstreich: Sie wählten sich »ihren« Kandidaten, den demokratischen Senator Riccardo Villari. Der sollte, so zumindest seine Partei, sein Amt niederlegen. Und dann? Die letzten fünf Monate haben ein Trümmerfeld hinterlassen, das die Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen Opposition und Mehrheit weiter zerstört hat. Ein normaler demokratischer Dialog scheint in Italien immer weniger möglich.

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