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Hommage wider Willen

Johann Kresnik nähert sich Herbert von Karajan mit »Maestro«

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.
Gesprochene Biografie mit Lockentoupet
Gesprochene Biografie mit Lockentoupet

Vielleicht liegt das Missverständnis ja in der Erwartung der Betrachter, die die Fetzen fliegen sehen wollten. Oder das Denkmal splittern. Oder die Narrenkappe auf der Marmorbüste. Oder wenigstens ein klitzekleines beleidigtes Buh, wenn schon keine knallenden Türen. Auf eine Enthüllung über einen Jetset-Dirigenten und Plattensuperstar von einst ist man ja schon gar nicht mehr aus im Medienzeitalter.

Im klatschverliebten Österreich sowieso nicht. Immerhin hatte das Salzburger Landestheater (ja, dort gibt's neben den Festspielen und ihren noblen Häusern, übers Jahr ein ganz normales Theater) eine vielversprechende Bühnenbegegnung von zwei Österreichern auf dem Spielplan: Der eine, Herbert von Karajan, ist nicht nur tot, hatte jetzt seinen Hundertsten und ist längst schon der direkten Kritik entrückt. Lebt aber immer noch in seinen Plattenaufnahmen, bringt sogar seinem kriselnden Label heute noch überlebenswichtige Einnahmen.

Der andere, Johann Kresnik, ist noch ziemlich lebendig und von Beruf eine Art fundamentaler Kritiker. An der Welt und besonders an ihren Göttern und Künstlern. Vor allem an den Künstlergöttern. Denen hat er viele seiner Stücke gewidmet. Er begann diese Serie mit dem von ihm erfundenen choreografischen Theater. Seine Künstlerannäherungen beharren aber auch, seit der Tanz darin immer weniger vorkommt, zumindest auf einem ästhetisch bissigen Eigensinn. Diese beiden Österreicher hätte man sich nur ziemlich schwer gemeinsam am Kaffeehaustisch oder beim Heurigen vorstellen können.

Dass Kresnik jetzt, bei seinem Karajan gewidmeten »Maestro«, eine Hitlerpuppe in der Rangloge platziert und seinem Karajan-Darsteller Rüdiger Kuhlbrodt nicht nur Textunmassen aufbürdet, sondern ihm auch die Mitgliedsnummern von Karajans beiden NSDAP-Parteieintritten in den dreißiger Jahren auf die nackte Haut schreiben lässt, war zu erwarten. Dass der Fanstammtisch zum »Goldenen Hirschen« das Horst-Wessel-Lied am liebsten nicht nur ansummen, sondern laut losträllern würde, auch. Aber das war's dann auch schon fast. Der Rest der zwei Stunden ist vor allem aufgesagte Biografie, deren Stationen aber nicht in kraftvolle, eigensinnige Bilder übersetzt, sondern von einer ganzen Phalanx von Zeitzeugen aus der Branche, nebst der typisch österreichischen »Adabeis«, hergesagt werden. Das ist im günstigsten Fall ein Feuerwerk von szenischen Kalauern, im (häufigeren) ungünstigen ist es nur fad. Simon Rattle hat da Locken, Nicolaus Harnoncourt guckt wie Harnoncourt eben guckt, dem Bayreuther Quasihausdirigenten, Christian Thielemann, den er offenbar nicht mag, verpasst er ein Transenoutfit. Willy Brandt geht schon als West-Berliner Regierender Bürgermeister in die Knie, Kritiker Joachim Kaiser hat die Süddeutsche in der Hand, sein Spiegelkollege Heinz-Klaus Metzger das nämliche Blatt. Moshammer hat Daisy im Arm, Christa Ludwig darf sagen, dass Bernstein Musik war und Karajan welche mache. Und wenn der volkstheaternde Stammtisch Kurt Waldheim beim Wickel hat, dann kommt natürlich auch noch das Kanzlerbonmont, dass nicht der Waldheim, sondern nur sein Pferd in der SA war. Bleibt ein bissl Boshaftigkeit gegen die Witwe und die Kinder. Na ja.

Irgendwie stimmt diesmal die Balance zwischen dem deftigen Bildererfinder Kresnik und seinem Dramaturgen Christoph Klimke nicht so recht. Zuviel Klimke, zu wenig Kresnik. Es wird einfach zu viel geredet oder nur das, was man auch lesen kann. Vor allem aber wird die kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Karajan nur behauptet, aber nicht geführt. Und so die Chance vertan, dem nachzuspüren, wie man denn nun ein Star wird und bleibt. Oder, welche Folgen das für die eigene Substanz hat und für die Umgebung.

So wie hier aber die Szenen, trotz des Einsatzes von Karajan-Darsteller Rüdiger Kuhlbrodt und der Truppe um ihn herum, fast schon gemütlich aufeinander folgen, bleibt wider Erwarten, und wohl auch entgegen der Absicht, am Ende tatsächlich Karajan der Sieger. Oder eben das Karajan-Klischee. Mit der imponierend langen Liste von Komponisten, deren Musik er aufgeführt hat, als Abspann.

Kresniks »Maestro« ist damit vor allem eine Hommage, wenn auch wider Willen.
Nächste Vorstellungen: 20.11., 28.11., 2.12., 5.12.

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