Machtkampf trotz Volkstrauer

Tod einer Prinzessin beendet Thailands politischen Streit nicht

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch die sechstägigen Begräbnisfeierlichkeiten für die verstorbene Prinzessin Galyani konnten die politischen Kämpfe in Thailand nicht beruhigen.

Schwarz ist das neue Gelb, die Königsfarbe, die viele Thais seit dem 60. Thronjubiläum des Königs im Jahr 2006 tragen. Thailand trauert in diesen Tagen um die im Alter von 84 Jahren verstorbene Schwester von König Bhumipol Adulyadej, Prinzessin Galyani Vadhana. Hunderttausende nahmen am vergangenen Sonnabend an der nach uralten Riten vollzogenen Einäscherung der sterblichen Überreste der beliebten Prinzessin teil. Die Staatstrauer aber hat dem Land keine Atempause in der politischen Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Freunden des gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra beschert, die ein Streit um eine Neuverteilung der Macht ist.

Kein anderes Volk verehrt seinen Monarchen und seine königliche Familie so sehr wie die Thais. Thitinan Pongsudhirak, Direktor des Instituts für Sicherheit und Internationale Studien an der Chulalongkorn-Universität in Bangkok, sagt: »Die unerreichte moralische Autorität von König Bhumipol ist lange der Anker, das Fundament der Stabilität und der Kontinuität der Nation gewesen.« Der Sturz von Ministerpräsident Thaksin durch einen Militärputsch im September 2006 aber hat Thailand zurückgeworfen in den seit Jahrzehnten gewohnten Strudel von Putschen, Wahlen, neuen Verfassungen. Gerade in diesen unruhigen Zeiten stehen die Thais fester zu ihrem König denn je.

Die außerparlamentarische Oppositionsbewegung Volksallianz für Demokratie (PAD) hält seit August den Amtssitz des Ministerpräsidenten besetzt und hat geschworen, den »letzten Krieg« zu führen, bis die im Dezember 2007 gewählte Regierung aufgibt. Für die PAD ist die Regierung von Ministerpräsident Somchai Wongsawat, einem Schwager Thaksins, ein Marionettenregime. Der ehemalige Ministerpräsident selbst befindet sich auf der Flucht, nachdem ein Gericht ihn wegen Korruption zu einer Gefängnishaft verurteilt hatte. Eine Regierung, an der die Thaksin-Partei beteiligt ist, will die PAD auch künftig nicht dulden.

Die Hoffnung, die Trauerfeierlichkeiten böten eine Gelegenheit zum Nachdenken und zum Aufeinanderzugehen der beiden Lager, hat sich nicht erfüllt. »Die politische Spaltung der Gesellschaft ist inzwischen viel zu tief, als dass sie durch Feierlichkeiten überwunden werden könnte«, sagt Canan Atilgan, die in Bangkok für die Konrad-Adenauer-Stiftung arbeitet. Keine der verfeindeten Seiten, die jede für sich in Anspruch nehmen, »die Wahrheit« zu vertreten, ist dialogbereit. »Wir geben nicht nach«, betonte am Dienstag Pibhop Dhongcha, einer der fünf Anführer der PAD.

Thaksin, der sich derzeit in Dubai aufhält, gießt Öl ins Feuer. Für kommenden Sonntag hat er seine Anhänger, die sich zur Vereinigten Demokratische Front gegen Diktatur zusammengeschlossen haben, zu einer Massenkundgebung aufgerufen, an die er sich per Videobotschaft wenden will. Die Rede wird in Thailand mit Spannung erwartet, nachdem Thaksin angekündigt hat, Namen seiner Feinde zu nennen. Den Sozialisten Giles Ji Ungpakorn, Politikwissenschaftler an Bangkoks Chulalongkorn-Universität, überrascht die Unnachgiebigkeit beider Lager nicht: »Zu viel steht bei diesem Streit zwischen den Eliten auf dem Spiel.«

Für Atilgan liegt der Mangel an Dialogbereitschaft vor allem darin, dass sich beide Seiten gegenseitig als »Gute« und »Böse« sehen und nicht über Sachthemen sprechen. »Solange die Ursachen des Konflikts nicht öffentlich angegangen werden, kann die Krise nicht überwunden werden«, glaubt sie. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Thitinan Pongsudhirak: »Das thailändische Volk ist tief polarisiert durch die strukturellen Probleme, die lange Zeit verdrängt worden sind.«

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