Abwasser auf Abwegen

Gutachten fordert Umweltverträglichkeitsprüfung für Salz-Entsorgung

  • Anke Engelmann, Erfurt
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Gutachten zur der von der K+S Kali GmbH an der Werra geplanten Salzabwasserentsorgung kommt zu dem Schluss, eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sei zwingend nötig. Unklar ist, wie die Thüringer Landesregierung reagiert.

Seit Mitte der neunziger Jahre befindet sich die Gemeinde Gerstungen im Verteidigungszustand, berichtet Bürgermeister Werner Hartung. In der Auseinandersetzung mit dem Düngemittelhersteller K+S Kali GmbH hat die streitbare Kommune nun eine neue Waffe in die Hand bekommen: Ein Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu der von K+S geplanten Salzabwasser-Entsorgung zwingend notwendig sei. Damit können Gemeinden, Umweltverbände und andere Betroffene Rechtsmittel einlegen, erläuterte Rechtsanwalt Matthias Heber am Donnerstag bei der Vorstellung des Gutachtens in Erfurt.

2007 hatte die K+S Kali GmbH den Antrag gestellt, sieben Millionen Kubikmeter Lauge in eine unterirdische Plattendolomit-Formation unter die Gerstunger Mulde zu drücken und gleichzeitig den Antrag gestellt, Abwässer in die Werra zu leiten. 9,5 Millionen Kubikmeter Salzabwasser sind bereits unter der Erde. Damit ist nach einer Vorschrift der Europäischen Union die für eine UVP zwingend notwenige Grenze von zehn Millionen Kubikmetern überschritten, meint Heber.

Schon zeigen sich erste Alarm erregende Folgen. So weiß niemand genau, wie viel Salzbrühe in der Plattendolomit-Formation eigentlich noch drin ist. Eine Bohrung hat ergeben, dass 30 bis 37 Prozent bereits in den darüber liegenden Buntsandstein gestiegen sind. Weitere 30 Prozent seien in die Werra gesickert. Die Bergwerksstollen sind miteinander verbunden. In den stillgelegten Gruben befinden sich zum Teil Sondermülldeponien. Auch an weit entfernten Orten kann es das Salzabwasser an die Oberfläche drücken.

»Versenkungen sind immer schiefgegangen«, sagt Hartung. Bereits 1968 hatten die Kaliwerke in Thüringen die Versenkung von Salzabwässern in den Plattendolomit gestoppt, weil die Trinkwasserbrunnen der näheren Umgebung Salzschäden aufwiesen. Dafür kippte man das Zeug einfach in die Werra, die dadurch stark belastet war.

Die Landesregierung will es anscheinend mit K+S nicht verderben, berichtet Tilo Kummer, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Thüringer Landtag. Nachdem Umweltstaatssekretär Stefan Baldus kürzlich im Landtag erklärt hatte, unter diesen Umständen sei eine weitere Versenkgenehmigung »nicht begründbar«, scheint die Behörde nun im Sinne des Unternehmens einzulenken. In seiner Betriebszeitung zitiert K+S das Ministerium mit den Worten: Die »zunächst erforderliche Versenkung« bedürfe »eines funktionstüchtigen Monitorings und einer kritisch-konstruktiven Begleitung durch die Behörden«, der Freistaat werde sich »dieser Aufgabe stellen«. Weitere »repräsentative Bohrungen« seien nötig, heißt es. »Die bohren so lange, bis sie nichts mehr finden, was Besorgnis erregt«, sagt man in Gerstungen.

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