Schleichende Gewöhnung an die NPD
Eine neue Studie untersucht die Bereitschaft zu Zivilcourage gegen Rechtsextremismus
Sozialwissenschaftler der Universität Bielefeld haben diese Fragen untersucht. Ihre Ergebnisse sind Teil der neuen Studie zu »Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« aus dem Institut von Wilhelm Heitmeyer, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Seit 2002 veröffentlicht sein Team jedes Jahr Daten, wie sich Vorurteile gegen schwache Gruppen in Deutschland entwickeln und welche Ursachen dafür zu finden sind.
Seit Anfang der 90er Jahre Asylbewerberheime in Ostdeutschland brannten und normale Bürger dafür Beifall klatschten, halten viele mangelnde Zivilcourage vor allem für ein Problem des Ostens. Die Bielefelder Wissenschaftler widersprechen dem jedoch. »Die pauschale Unterstellung, Ostdeutsche seien weniger bereit, couragiert gegen Rechtsextremismus zu handeln als Westdeutsche, bestätigt sich nicht«, sagte die Sozialpsychologin Beate Küpper. Alarmierend ist jedoch ihr Befund, dass in Regionen, wo Rechtsextreme Wahlerfolge feiern, allmählich eine Gewöhnung eintrete.
Die Ergebnisse sind allerdings widersprüchlich: Denn gleichzeitig findet mehr als die Hälfte der knapp 1800 Befragten, dass das Thema »in den Medien hochgekocht wird«, über ein Drittel meint zudem, über Rechtsextremismus werde »viel zu viel geredet«. Ebenfalls mehr als die Hälfte weist eine eigene Verantwortung mit dem Satz zurück, »Experten sollten sich mit dem Thema befassen«. Beate Küpper erklärte diese gegenläufigen Ergebnisse mit ambivalenten menschlichen Einstellungen.
Anders als man vermuten könnte, steigt die Bereitschaft zu Zivilcourage in Regionen nicht, wo die NPD in Parlamenten sitzt. Die Befragten dort fühlen sich auch nicht etwa bedrohter als anderswo. Im Gegenteil: Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die NPD enttabuisiert und für normal gehalten werde. 12 Prozent im Westen und 16 Prozent im Osten sehen in ihr »eine Partei wie jede andere«. Das sagen also auch Menschen, die die NPD gar nicht wählen. Allgemeine Vorurteile gegen schwächere Gruppen wie Ausländer, Homosexuelle oder Obdachlose seien hier in der normalen Bevölkerung ebenfalls verbreiteter als anderswo, fand die Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer heraus. Und wer sich an die NPD gewöhnt hat, den interessieren auch die Antifa-Demo oder der Aktionstag »Bunt statt braun« nicht mehr.
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