Lachender Engel und folgenreiche Notlüge

In Regensburg bestimmten Kirchen, Klöster und der Dom das Leben über die Jahrhunderte

  • Sonja Schön
  • Lesedauer: 5 Min.
Über die steinerne Donaubrücke gelangt man zum Dom.
Über die steinerne Donaubrücke gelangt man zum Dom.

»Diese schöne Stadt hat zwei Gesichter, eines aus Stein, das andere aus Wasser, nur von der Donau aus betrachtet, verschmelzen beide zu einem Ganzen«, schrieb die Regensburger Schriftstellerin Sandra Paretti. Mit dem »Gesicht aus Stein« meinte sie die über tausend historischen Gebäude, die in der Regensburger Altstadt dicht nebeneinander stehen. Unter ihnen befinden sich auch die Paläste reicher Patrizier, deren Handelsbeziehungen bis nach Kiew und Venedig reichten. Ihren Reichtum demonstrierten sie weithin sichtbar mit ihren hoch in den Himmel ragenden Türmen.

Politik machte man in Regensburg stets vom Alten Rathaus aus. Dorthin beriefen die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation den Reichstag ein, um sich mit Fürsten und Bischöfen zu beraten. Hier kann man noch die sprichwörtlich langen Bänke, auf die etwas geschoben, und die grünen Tische, an denen Beschlüsse gefasst wurden, sehen.

Gleich gegenüber befindet sich eines der ältesten Kaffeehäuser Deutschlands. 1686 wurde es eröffnet und trägt den Namen »Café Prinzess«. Seine handgemachten Pralinen lobten schon die französischen Gesandten am Regensburger Reichstag. Die »Barbara Blomberg Torte« wurde nach der schönen Regensburger Gürtlerstochter benannt, welche 1547 von Kaiser Karl V., dem damals mächtigsten Mann der Welt, ein Kind bekam. Ihr Sohn ging später in die Geschichte als »Don Juan de Austria« ein. Eine Statue auf dem Zieroldsplatz erinnert an ihn.

Geistliches Zentrum der Stadt ist der Dom St. Peter. Wer an der Fassade bis zu den Turmspitzen des imposanten gotischen Bauwerks hinaufblickt, sieht reitende Könige, alte Jungfern und witzige Wasserspeier. Über 250 Jahre wurde an dieser Kathedrale gebaut. Ihr Patron ist der Hl. Petrus. Nahezu 100 Mal ist er abgebildet, darunter auch auf einem großen bunten Glasfenster. »Fenster strahlten für die Gläubigen der damaligen Zeit das göttliche Licht aus. Für sie war es die Präsenz Gottes auf Erden«, erklärt der Historker, Dr. Michael Groß. Wer sich zum Gebet zurückziehen möchte, geht in die Sailer-Kapelle. Sie wurde nach dem Regensburger Bischof Johann Michael von Sailer (1751-1832), der auch der Erzieher des bayerischen Königs Ludwig I. war, benannt. Höhepunkt hier ist »der lachende Engel«. Ein unbekannter Künstler schuf um 1280 diese Plastik. »Der ›lachende Engel‹ ist nach Ansicht von Rainer Maria Rilke Inbegriff einer einzigartigen Vermittlung: Gottes Heil nimmt seinen Lauf in menschlichen Zügen«, sagt Dr. Groß.

Neben dem Dom haben vor allem Klöster Regensburg geprägt, allen voran das um 739 gegründete »Sankt Emmeram«. Hier befindet sich auch das Grab des gleichnamigen fränkischen Wandermönches, der während einer Missionsreise nach Regensburg gelangte. Dort wurde ihm Uta, die Tochter des Herzogs Theodo I., zum Verhängnis. Sie hatte eine heimliche Liaison mit dem Sohn eines Beamten, von dem sie ein Kind erwartete. Um das Paar vor einer Strafe zu schützen, riet Emmeram Uta, ihn als Vater anzugeben. Herzog Theodo I. soll über diese Notlüge so erzürnt gewesen sein, dass er Emmeram auf eine Leiter binden und ihm bei lebendigem Leibe alle Gliedmaßen abschneiden ließ.

Im Mittelalter war das Kloster Sankt Emmeram ein Zentrum der Astronomie und der Buchmalerei. Seit dem Pariser Vertrag von 1810 gehörte es zusammen mit Regensburg zu Bayern. Seine wertvollen Kunstschätze kamen nach München. 1812 wurde es aufgelöst und seine Gebäude dem Fürsten von Thurn und Taxis übergeben, der es zu seinem Stammschloss umbauen ließ. Auch die heutige Hausherrin, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, will das ehemalige Benediktinerkloster noch einmal verändern. Bis 2010 soll hier ein Nobelhotel mit 110 Zimmern entstehen. Schon in der Vergangenheit hatte die Fürstin Teile des Schlosses in eine gewerbliche Nutzung, in Büros, Kanzleien und eine Seniorenresidenz, umgewandelt. Auch eine »Fürstliche Notstandsküche« wurde eingerichtet, die täglich dreihundert Essen an Bedürftige verteilt.

Doch in Regensburg gab es nicht nur Mönche, sondern auch Nonnen. So war das Stift Niedermünster früher eines der wichtigsten Damenstifte in Deutschland. Heute steht noch die romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert, in dem sich ein monumentales Bronzekruzifix befindet. Bei Ausgrabungen wurden römische Fundamente freigelegt, die nur bei Führungen besichtigt werden können.

Auch eine der schönsten Dominikanerkirchen Deutschlands steht in Regensburg. Sie wurde dem Heiligen Blasius geweiht, ihre Pforten sind klein gehalten und sollen die Demut dieses Bettelordens symbolisieren, deren Mitglieder sich als »Hunde des Herrn« bezeichnen. In der Kapelle steht heute noch die Kanzel des Kreuzzugspredigers und Kirchenlehrers Albertus Magnus, der sich intensiv mit Alchemie, Magie und Philosophie beschäftigte. 1260 wurde Albertus Magnus zum Bischof von Regensburg und damit zum Reichsfürsten ernannt.

Ein Kleinod ist auch die Karmelitenkirche St. Josef. Sie wurde 1634 durch Kaiser Ferdinand II. gegründet und erst nach 38 Jahren, nämlich 1672, eingeweiht. Täglich findet hier die »Ewige Anbetung« statt. Die Christkindl-Andachten als Novene vor Weihnachten sind für Groß und Klein ein Erlebnis. Danach kann man im nahe gelegenen Café Pechsteiner »Karmeliten-Trüffel« genießen. Sie werden aus Vollmilch, Sahne, Butter und »Karmelitengeist« hergestellt, der schon seit Jahrhunderten nach einem Geheimrezept der Mönche gebrannt wird.


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