Der Deal mit einem »Manager des Jahres«

Nicht nur der Angeklagte Klaus Zumwinkel muss einiges erklären, auch die Justiz steht in der Kritik

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute beginnt in Bochum ein Prozess, der – ginge es gerecht zu – Maßstäbe setzen könnte. Angeklagt ist Ex-Postchef Klaus Zumwinkel. Man wirft ihm Steuerhinterziehung vor.

Methode: Wer zuerst mahlt ... Ab 7.30 Uhr werden vor dem Gebäude Platzkarten verteilt, sagt der Pressesprecher des Landgerichtes und verweist darauf, dass dessen großer Saal nur 100 Zuschauerplätze bietet. 59 seien schon vor Wochen an Journalisten vergeben worden. Auf deren Beobachtungsgabe wird man sich also verlassen müssen. Obwohl, angeblich ist der Deal ja bereits eingefädelt.

Zumwinkel (65), einst Chef des Postunternehmens, Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, »Manager des Jahres 2003« und »Stratege des Jahres 2006«, soll innerhalb von fünf Jahren – neben vierzehn Millionen Euro beglichenen Steuern – rund eine Million Steuereuro hinterzogen haben. Zumwinkel ließ das Geld lieber auf einem Konto der LGT-Bank im Fürstentum Liechtenstein für sich arbeiten. Die Sache flog auf, Polizei und Staatsanwaltschaft machten einen »Hausbesuch«, Medien und Öffentlichkeit waren plötzlich so mutig, Zumwinkel »Betrüger«, »Penner« oder einfach »Asozialer« zu nennen.

Kein Zweifel, der Fall muss verfolgt werden. Doch warum eigentlich in Bochum? Zumwinkel wohnt in Köln und da das Tatortprinzip (also Liechtenstein) bei Anklage und Verhandlung ganz offenbar nicht greifen würde, böte sich das Wohnortprinzip an. Zu fragen ist gleichfalls: Warum werden in Bochum neben der Zumwinkel- auch rund 700 weitere »Liechtenstein-Akten« geführt, wo doch 110 Verdächtige in Bayern und rund 80 in Baden-Württemberg wohnen?

Es heißt, in Bochum lägen die meisten Erfahrungen in Sachen Steuerfluchtverfolgung vor und man verbindet diese Aussage zumeist mit dem Namen Margrit Lichtinghagen. Die 53-Jährige ist optisch bundesweit bekannt. Sie ist die Frau neben Zumwinkel, als der vor rund einem Jahr mit Polizeieskorte zum Termin beim Haftrichter geführt wurde. Lichtinghagen ist die Staatsanwältin, die den Beschuldigten vor die Richterbank führen wollte. Doch das besorgen nun zwei Kollegen. Lichtinghagen wurde versetzt, ist nun Richterin beim Amtsgericht Essen und derzeit noch krankgeschrieben.

Wie kommt es, dass die so erfahrene Jägerin der Wirtschaftskriminellen, die es »den Bossen« 15 Jahre lang »gezeigt hat«, so tief gefallen ist? Neid? Mobbing gegen eine Frau? Möglicherweise auch das. Nur fanden die Neider eben genügend Angriffsmöglichkeiten.

Frau Lichtinghagen hat – durch ihre Verfahren gegen überführte Steuerflüchtlinge – viele Millionen Euro als Bußgelder verhängt. Und dann, so heißt es, recht selbstherrlich über deren Verwendung entschieden. Seltsam, dass unter den begünstigten und zweifellos bedürftigen Einrichtungen seit 2003 immer wieder die Privatuniversität Witten/Herdecke auftaucht. Auf diesem Wege wurde auch der Liechtensteiner Treuhänder-Guru Herbert Batliner zum »Wohltäter«. Im Zuge eines Bochumer Steuerstrafverfahrens musste er insgesamt zwei Millionen Euro überweisen. 900 000 gingen nach Witten/Herdecken. Die Buchhalter der Uni hatten die kontinuierlichen Zuwendungen schon fest eingeplant in ihren Budgetrechnungen.

Obwohl bei der Steuerstrafverfolgung in Bochum vieles zumindest am Rande des Erlaubten gelaufen zu sein scheint, hat niemand versucht, die Fälle aus Bochum abzuziehen. Keine andere Staatsanwaltschaft wollte den Deckel lüpfen und kein Verteidiger die Zuständigkeit der Bochumer Ankläger und Richter in Zweifel ziehen. Wichtiger war es ihnen, einen guten Handel abzuschließen und die kriminellen Aktivitäten ihrer Mandanten so gut es ging aus der Öffentlichkeit herauszuhalten.

Zumwinkels Vergehen ist dafür bereits zu öffentlich. Doch auch in dem Fall wird – selbst wenn die Absprachen mit Lichtinghagen inzwischen unwirksam sein sollten – gedealt. Zur Anklage kommt nicht die Hinterziehung der bekannten 1,2 Millionen Euro, da ein Fall verjährt ist. So sinkt der Steuerschaden unter die Millionengrenze, die nach einem Spruch des Bundesgerichtshofes eine Bewährungsstrafe ausgeschlossen hätte.

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