Esoterik in der Oper

Außenminister sprachen über Rolle der EU

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 2 Min.
»Reden über Europa« lautete das Motto einer Veranstaltung in der Berliner Staatsoper. Gesagt wurde aber wenig.

Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg fürchtet das Ende der europäischen Macht. In einigen Jahrzehnten könnten die Staaten der Union enden wie Venedig: Vom einstigen Einfluss würden dann nur noch Kunst- und Kulturdenkmäler zeugen. Es wären die Großväter, die sich dann noch daran erinnerten, »wie es war, als die Welt bewundernd auf die Errungenschaften Europas geblickt hat«.

Dieses Bild zeichnete der adelige Prager Chefdiplomat am Sonntag in der Berliner Staatsoper. »Reden über Europa« hieß das Thema, zu dem die Allianz Kulturstiftung geladen hatte. Rund 1000 Gäste investierten sechs Euro, um neben Schwarzenberg auch dessen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier zu hören. Der Dritte im Bunde, Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner, ließ sich kurzfristig entschuldigen. Ihn vertrat der Pariser Europa-Staatssekretär Bruno Le Maire.

Schwarzenberg ließ als amtierender EU-Ratspräsident keinen Zweifel an den geopolitischen Zielen Brüssels. Auf dem Balkan sei zwar schon viel geleistet worden, aber es gebe gerade in dieser Region noch viele Herausforderungen, wie etwa die andauernden Grenzstreitigkeiten zwischen Kroatien und Slowenien. »Wir müssen dort Präsenz zeigen«, sagte der Multimillionär warnend, »weil sich sonst wie in der Vergangenheit fremde Mächte auf dem Balkan festsetzen«. Eine Gefahr, die Schwarzenberg generell sieht: Die Wirtschaftskrise habe jedem in Brüssel vor Augen geführt, wie fragil die Macht des Bündnisses ist. »Das Biedermeier ist zu Ende«, so sein Resümee.

Der globale Wandel beschäftigte alle Referenten. Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier plädierte für eine neue Kooperation mit Schwellenstaaten wie China, Indien, Russland oder Brasilien. Dass gerade die Annäherung an die Führung in Brasilia von Berlin als Möglichkeit gesehen wird, die entstehenden Allianzen gegen die neoliberale Ordnung in Südamerika zu spalten, verschwieg er freilich. Das Projekt EU, so Steinmeier, verdanke den politischen Erfolg seiner Glaubwürdigkeit: »Wir denken eben nicht in der Kategorie von Hinterhöfen, von Macht- oder Einflussbereichen.« Der Dissens zu Schwarzenbergs Balkan-Exkurs war offensichtlich. Rhetorisch jedenfalls. Politisch wohl nicht.

In der Debatte um die eskalierende Weltwirtschaftskrise entpuppte sich das Oberhaupt des Adelshauses Schwarzenberg indes als Anhänger esoterischer Lösungen. Ursache der Krise sei der Verfall von Moral und Tabus. Die Rückbesinnung auf moralische Werte sei deswegen ein Mittel gegen die Krise, sagte der tschechische Außenminister. Das bürgerliche Publikum reagierte mit Raunen und Lachen.

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