Armutszeugnis

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Tapfer, trotzig und ziemlich lange hat das rot-rote Berlin widerstanden. Doch seit gestern ist Schluss mit einer seit 2005 geübten Praxis. Es trifft die vom Bund gewollte Härte mit Wucht auch die hauptstädtischen Hartz IV-Emfangenden. Deren Umzüge aus Wohnungen, die als zu teuer klassifiziert werden, sind seit dem 1. März nun auch in Berlin nach einem halben und nicht erst einem ganzen Jahr zu erzwingen. Zu allem Überfluss fordert der schwarz-rote Bund 47 Millionen Euro zurück. Sie sollen wegen der angeblich allzu liberalen Praxis der Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (LINKE) zu viel gezahlt worden sein.

Das ist keineswegs erwiesen, sondern eine höchst umstrittene Hochrechnung der Zahlen eines einzigen Jobcenters auf ganz Berlin. Kommt es jedoch zur wohl unumgänglichen Einzelfallprüfung, kann der Kläger sich durchaus selbst wundern. Denn die soziale Argumentation für ein Jahr Mietübernahme erscheint durchaus schlüssig. Die Betroffenen sollten nicht zuerst umziehen, sondern sich vordringlich um Arbeit kümmern, sagt die LINKE. Das ist aufwändig genug, doch kann man gerade im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit noch von einer relativ hohen Erfolgsquote ausgehen. Dann spart der Staat erheblich – nicht zuletzt die Umzüge.

So ein Zwangsumzug ist ein schmerzliches Zeugnis von Bedürftigkeit. Viel mehr geht es jedoch um ein wahres Armutszeugnis für die sogenannte große Politik. Die Bundesregierung verweigerte seinerzeit eine klare Regelung der Angemessenheit von Wohnraum, nun verweigert sie sich der sozialen Lösung und besserer Einsicht aus guter Erfahrung.

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