Der Konvertit

Wolfgang Büchner / Der 42-Jährige wird neuer Chefredakteur von dpa

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Das vernichtendste Urteil über Wolfgang Büchners Noch-Arbeitgeber stammt vom renommierten Medienjournalisten Stefan Niggemeier. »›Spiegel Online‹ ist ein Boulevardmedium«, schrieb Niggemeier im Mai vergangenen Jahres in seinem Webblog. Anlass war die Berichterstattung vieler Medien über die Wahl Stanislaw Tillichs zum neuen sächsischen Ministerpräsidenten. »Spiegel Online« hatte eine dpa-Meldung derart zugespitzt, dass der Eindruck entstand, Tillichs Gegenkandidat von der NPD habe auch Stimmen von anderen Parteien erhalten. Das stimmte zwar nicht, taugte auf »Spiegel Online« aber dazu, von einem »NPD-Eklat« zu schreiben. Und da im schnelllebigen Mediengeschäft »Spiegel Online« neben »Bild« oft und gerne als Sekundärquelle benutzt wird, um sich eigene Recherche zu ersparen, war der angebliche Skandal schnell in der Welt. Die Nachrichtenagentur dpa war, so viel sei gesagt, an alldem unschuldig.

Chefredakteur von »Spiegel Online« ist derzeit noch Wolfgang Büchner. Spätestens Anfang 2010 soll er aber, meldete es gestern dpa, Nachfolger von Wilm Herlyn (64) werden, der zum Jahresende als Chefredakteur die Nachrichtenagentur altersbedingt verlässt. Büchner sei nicht nur ein »äußerst versierter und erfahrener Journalist«, sondern auch ein »profunder Kenner der neuen, digitalen Medienwelt«, sagte gestern der Vorsitzende des dpa-Aufsichtsrates, Karlheinz Röthemeier. Mit Büchner, der seine journalistische Laufbahn als Lokalreporter begann, werde es gelingen, »die Herausforderungen, die sich aus der bevorstehenden Konvergenz der Medien ergeben, erfolgreich zu meistern«.

Für dpa-Kunden dürfte das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, denn »Konvergenz der Medien« bedeutet nichts anderes als der Einstieg in eine Medienwelt, in der das klassische Printmedium immer mehr an Bedeutung zugunsten des Internets verliert. Das birgt Chancen, aber auch Risiken, zum Beispiel das Risiko, dass Nachrichten nicht mehr gründlich recherchiert, sondern – Aufmerksamkeit heischend – auf dem Boulevard präsentiert werden. Vielleicht besinnt sich Büchner aber auch auf seine Herkunft – immerhin hat er selbst jahrelang für die Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters gearbeitet.

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