»Ex oder Jude!«

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.
Karikatur: Christiane Pfohlmann
Karikatur: Christiane Pfohlmann

»Wenn einer was zu Trinken hat und das austrinken soll, dann sagen wir ›ex oder Jude!‹‹, erklärt der 16-jährige Selcuk in dem Film »Koscher – gibt's das nicht auch im Islam?«. Der Film läuft im TV-Kanal der »Deutschen Welle«. Der Auslandssender hat jüdische und muslimische Schüler zusammengebracht und sie über gegenseitige Klischees und Ressentiments reflektieren lassen.

Ein besseres Miteinander dieser beider Bevölkerungsgruppen tut auch Not: Rund 15 Prozent der jungen Türken und Araber hegen laut einer kürzlich von der Amadeu-Antonio-Stiftung veröffentlichten Studie latente oder offene antisemitische Vorurteile.

Politik und Öffentlichkeit zeigten sich nach Bekanntwerden der Studienergebnisse schockiert und für manche war die Studie auch ein Beleg für die These eines gerade unter den Muslimen grassierenden Antisemitismus. »Jung, männlich, Moslem und Antisemit« titelte etwa die »Wiener Zeitung«.

Antisemitismus ist gerade unter jungen männlichen Muslimen ein ernst zunehmendes Problem, doch mit Alarmismus löst man dieses Problem nicht. Man kann die Studie nämlich auch so lesen: Den 15 Prozent antisemitisch eingestellten jugendlichen Einwanderern aus muslimischen Kulturen stehen 85 Prozent gegenüber, die keine antisemitischen Vorurteile haben. Angesichts eines nach wie vor auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft virulenten Antisemitismus und einer von Judenklischees geprägten Berichterstattung türkischer und arabischer TV-Sender ist das keine geringe Zahl. Und es gibt wohl eine Reihe von muslimischen Jugendlichen, die ganz genau wissen, dass ihre Lehrer mit judenfeindlichen Sprüchen besonders schnell aus der Fassung zu bringen sind. Das wiederum ist eine pädagogische Herausforderung. Wie die gemeistert werden kann, zeigt das Filmprojekt der »Deutschen Welle« – durch den direkten Kontakt. Auch Selcuk wünscht sich am Ende des Films, dass es mehr Begegnungsmöglichkeiten zwischen jungen Juden und Muslimen in Deutschland geben sollte.

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