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Schwerin jagt den Einbaum-Mörder

Ein heutiger Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts soll wertvolle Funde vernachlässigt haben

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 2 Min.
So viel Einigkeit ist selten im Schweriner Landtag: SPD, CDU, Linkspartei und FDP wollen in dieser Woche Licht in die »Einbaumaffäre« bringen, die in diesen Tagen aufgebrochen ist. Wie kann ein als »Sensation« gefeierter archäologischer Fund in einer Denkmalbehörde vergammeln?

Der Vorgang ist mehr als peinlich: 2002 wurden in Stralsund drei steinzeitliche Einbäume gefunden, von denen zwei auf ein Alter von 7000 bis 6000 Jahren geschätzt wurden. Damit waren sie mit die ältesten Bootsreste, die in Europa jemals gefunden wurden. Seinerzeit als Sensation gefeiert, wanderten die Funde in ein provisorisches Lager in Schwerin und verrotteten dort wegen unsachgemäßer Lagerung. Das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege musste dies der Stadt Stralsund eröffnen, als diese die Einbäume zum 150-jährigen Jubiläum ihres naturhistorischen Museums ausstellen wollte.

Offenbar gelangten die Funde 2002 in ein baufälliges Lager des Amts in Schwerin. Dort waren sie Frost und Fäule ausgesetzt; 2004 stürzten Teile des Gebäudes ein und zerstörten, was von den Lindenholz-Booten übrig war.

Landesamt-Leiter Michael Bednorz erklärt den Vorfall mit Kompetenzwirrwarr und Ressourcenknappheit. Demnach gab es einen Schriftwechsel zwischen dem Landesamt und dem Landesbetrieb für Bau und Liegenschaften über den Verbleib der Einbäume. Es sei aber keine Lösung gefunden worden. Eine »rationale Erklärung« habe er nicht.

Kultusminister Henry Tesch (CDU) schimpft über »verantwortungsloses, inkonsequentes und gleichgültiges Handeln«. Bednorz klagt dagegen über eine unzureichende Ausstattung seiner Behörde. Bis zu fünf Fachkräfte fehlten. Auch Torsten Koplin, Kulturpolitiker der LINKEN, drängt darauf, die Ausstattung des Amts zu prüfen. Bis heute werden die nicht eingestürzten Teile der Remise als Lagerraum genutzt. Nun soll überprüft werden, ob weitere Funde in Gefahr sind. Bei aller Geldknappheit räumt Bednorz ein, dass es für die Bearbeitung der Einbaum-Funde Geld gegeben habe. Dies sei allerdings nie ausgegeben worden. Ob das stimmt, will nun der Landesrechnungshof überprüfen.

Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege wurde 2006 gegründet, vier Jahre nach dem Fund und zwei Jahre nach dem Lager-Einsturz. Die Neugründung führte das Landesamt für Denkmalpflege und das Landesamt für Bodendenkmalpflege mit dem Archäologischen Landesmuseum zusammen. Ob Verantwortliche aus dieser Ämterstruktur sich strafrechtlich relevante Versäumnisse haben zuschulden kommen lassen, prüft nun die Staatsanwaltschaft. Ernst Schliemann, Nachfahr des Troja-Ausgräbers Heinrich Schliemann, hatte Anzeige gestellt.

Für den SPD-Kulturpolitiker Klaus-Michael Körner ist der Hauptverantwortliche der »damalige Leiter des Archäologischen Landesmuseums Mecklenburg-Vorpommern«. Damit steht ein Prominenter der Altertumsforschung im Fokus: Dr. Friedrich Lüth, 1992 zum Landesarchäologen berufen und bis 2006 Leiter des archäologischen Landesmuseums. Lüth, der in Saarbrücken und Hamburg studiert hatte, ist seit 2006 Erster Direktor der Römisch-Germanischen Kommission beim Deutschen Archäologischen Institut (DAI).

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