Arbeit & Arbeitslosengeld: Rechte und Pflichten eines Arbeitnehmers bei befristeter Anstellung
Arbeitsmarkt
In Zeiten der hohen Arbeitslosigkeit wird es immer schwerer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu finden. Fast 50% der Berufseinsteiger erhalten zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis. Die Besonderheit von Befristungen besteht darin, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung nach Ablauf der vereinbarten Frist automatisch endet.
Das hat natürlich auch Gründe: Die Vorteile für die Arbeitgeber liegen darin, dass sie bei erhöhtem oder unvorhersehbarem Arbeitsanfall keine Arbeitnehmer mehr unbefristet einstellen müssen. Befristet Beschäftigte haben nachgewiesenermaßen verminderte Einkommenschancen, da ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Arbeitgebern geringer ist als bei unbefristet Beschäftigten. Das führt meistens zu einer prekären Einkommenssituation, da man keine langfristige Lebensplanung machen kann.
Die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen informiert nachfolgend darüber, welche Rechte und Pflichten man als befristet Beschäftigter hat.
Grundsätzlich ist für Alg-I-Bezieher nicht jede Arbeit zumutbar. Sie müssen keine Arbeit annehmen, bei der sie netto weniger verdienen als sie an Leistungen von der Arbeitsagentur beziehen plus Fahrtkosten.
Was ist zumutbar?
– Löhne/Gehälter unterhalb von tariflicher Entlohnung (aber siehe oben),
– befristete Arbeit,
– Leiharbeit,
– große Entfernungen zum Beschäftigungsort (bundesweit),
– kein Berufsschutz (Qualifikationsschutz).
So sind auch Tätigkeiten zumutbar, die nicht der Ausbildung entsprechen oder in denen der Arbeitslose keine Berufserfahrung hat. Es gibt keinen Schutz vor beruflichem Abstieg mehr. Akademiker oder Facharbeiter müssen auch Hilfsarbeiten annehmen.
Was bedeutet ein befristetes Arbeitsverhältnis?
Befristet beschäftigt ist ein Arbeitnehmer mit einem auf eine bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag. Ein solcher Vertrag liegt vor, wenn seine Dauer kalendermäßig bestimmt ist oder sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (zweckbefristeter Arbeitsvertrag).
Wie ist das Arbeitsverhältnis geregelt?
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein solcher Grund liegt insbesondere vor, wenn
– der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
– die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
– der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
– die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
– die Befristung zur Erprobung erfolgt,
– in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
– der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
– die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
Eine Befristung ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat oder ein befristetes, bei dem die Höchstdauer oder die Verlängerung ausgeschöpft sind.
Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate arbeitslos war, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder SGB III teilgenommen hat. Bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.
Welche Rechte hat der Beschäftigte?
Alles, was in Gesetzen geregelt ist, gilt auch für befristet Beschäftigte. Die Firma hat die Pflicht, alle im Betrieb tätigen Personen gleich zu behandeln und Formen der Diskriminierung zu unterbinden (§ 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz). Das betrifft besonders den Einsatz unter Erschwernissen (wie Schmutz und Lärm) und die Verteilung der Arbeitszeiten. Dies gilt auch für den Lohn, wenn ein Tarifvertrag keine andere tarifliche Regelung vorsieht.
Frühzeitige Meldung bei der Arbeitsagentur
Die Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung besteht sowohl bei befristeten als auch bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Man muss sich also spätestens 3 Monate vor der Beendigung der Beschäftigung melden. Wenn zwischen dem Kenntnistag und dem Ende des Arbeitsverhältnisses weniger als 3 Monate liegen, hat die Meldung innerhalb von 3 Tagen zu erfolgen.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für diese Meldung den Arbeitnehmer freizustellen. Bei verspäteter Meldung gibt es eine Sperrzeit.
Sofern eine bestehende Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit einer Dauer von bis zu drei Monaten unterbrochen wird, tritt keine Meldepflicht ein.
Damit ein (neuer) Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) entsteht, müssen innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren mindestens 360 Tage versicherungspflichtiger Zeiten zurückgelegt worden sein. Diese Zeiten müssen nicht »an einem Stück« erarbeitet werden, sie können auch durch mehrere Beschäftigungen erreicht werden. Deshalb kann auch eine kurze Befristung dazu genutzt werden, die 360 Tage zu erreichen.
Ist diese erste Hürde gemeistert, dann richtet sich die Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld nach der versicherungspflichtigen Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist von 5 Jahren: siehe unten stehende Tabelle.
Bestandsschutz
Viele Arbeitslose, die Arbeitslosengeld beziehen, befürchten eine Verringerung ihrer Leistung, wenn sie z.B. nach der Aufnahme einer schlechter als früher bezahlten Beschäftigung wieder arbeitslos werden. Diese Befürchtung ist jedoch in einigen Fällen unbegründet.
Wird eine bestehende Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer weniger als 12 Monate dauernden, versicherungspflichtigen Tätigkeit unterbrochen, ist in der Regel kein neuer Anspruch entstanden und der alte Leistungsbezug von Arbeitslosengeld lebt in gleicher Höhe wieder auf.
Wird eine bestehende Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer mindestens 12 Monate, aber weniger als 24 Monate dauernden, versicherungspflichtigen Tätigkeit unterbrochen, ist zwar ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden. An dieser Stelle greift jedoch ein »Bestandsschutz«, der gewährleistet, dass bei dem neu erworbenen Anspruch auf Arbeitslosengeld mindestens nach dem Bemessungsentgelt berechnet wird, das dem alten Leistungsbezug zugrunde lag. Anders ausgedrückt: Durch die Aufnahme einer weniger als zwei Jahre dauernden versicherungspflichtigen Beschäftigung kann man die Höhe seines Leistungsanspruchs zwar verbessern, aber nicht verschlechtern – egal wie wenig man verdient hat.
Erst wenn der letzte Tag des (alten) Alg-I-Bezugs bei Entstehung des neuen Anspruchs mehr als 2 Jahre zurückliegt, besteht die Möglichkeit einer Verschlechterung. In diesem Fall wird nämlich in der Regel der Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegt.
Beispiel für den Bestandsschutz
Herr Zuversicht, 47 Jahre alt, ist seit 1.1.2008 arbeitslos und erhält ein relativ hohes Arbeitslosengeld, weil er zuletzt 3000 Euro brutto verdient hat. Als Verheirateter mit Steuerklasse III und einem Kind erhält er monatlich im Durchschnitt etwa 1380 Euro Arbeitslosengeld. Um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen, nimmt er am 1.10.2008 eine zwar ganz interessante, aber mit 2000 Euro brutto schlechter bezahlte und zudem noch auf 15 Monate befristete Arbeit auf.
Falls Herr Zuversicht nun zum 1.1.2010 wieder arbeitslos werden sollte, bekommt er aber weiterhin sein Arbeitslosengeld auf der Grundlage des alten Bruttoeinkommens. Hier kommt der Bestandschutz zum Tragen, weil Herr Zuversicht innerhalb der letzten zwei Jahre bereits einmal Arbeitslosengeld bezogen hat.
Arbeitslosengeld I und / oder Arbeitslosengeld II
Auf welche Unterstützung man nach dem Auslaufen der Befristung Anspruch hat, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Für den Bezug von Alg I ist vor allem die sogenannte Anwartschaftszeit, d.h. die Zeit, in der man in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, ausschlaggebend. Hat man die Anwartschaftszeit nicht erreicht, muss man Arbeitslosengeld II beantragen, dabei ist das entscheidende Kriterium die Hilfebedürftigkeit.
Adressen örtlicher Beratungsstellen sowie Infoblätter mit Tipps und Mustertexten für Widersprüche im Internet:
www.erwerbslos.de
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