Nickerchen gegen Stundenklau?

Dr. Anette Wahl-Wachendorf zu gesundheitlichen Folgen der Zeitumstellung

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Heute wird die Nacht eine Stunde kürzer, ist das für den menschlichen Organismus ein Problem?
Wahl-Wachendorf: Er merkt es. Einer kann damit besser umgehen, ein anderer schlechter. Aber natürlich kann jeder Organismus das bewältigen.

Wie äußert sich das?
In den ersten Tagen nach der Zeitumstellung fühlt man sich schlapp, aber abends ist man erst mit Verzögerung müde. Das macht den Einstieg in den Biorhythmus noch ein bisschen schwieriger.

Was empfehlen Sie?
Abends eine Stunde früher ins Bett. Man sollte den Alkoholkonsum reduzieren, weil man damit zwar gut einschläft, aber Durchschlafstörungen hat. Wenig Alkohol, leichte Kost – so kann man innerhalb von zwei, drei Tagen locker im neuen Rhythmus sein. Es gibt auch Menschen, bei denen dauert die Umstellung länger.

Monate?
Das ist nicht denkbar. Da liegt dann ein anderes gesundheitliches Problem vor.

Wie sollten sich Menschen mit Schlafstörungen verhalten?
Nicht anders als sonst. Auf keinen Fall sollten sie versuchen, mit Medikamenten Müdigkeit herbeizuführen, da die Nebenwirkungen die Problematik nur verstärken.

Was versteht man eigentlich unter dem »Biorhythmus« oder der »inneren Uhr«?
Der Mensch stellt sich – das hat man in den 50er Jahren in Bunkerversuchen nachgewiesen – automatisch auf einen 24-Stunden-Rhythmus ein, auch wenn er dafür keine Anhaltspunkte wie das Licht hat. Das ist dieser Biorhythmus. Man nennt das auch »innere Uhr«.

Sie empfehlen ein Nickerchen in der Mittagspause. Ist das nicht angesichts der Angst vieler Menschen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ein zweifelhafter Rat?
Wir wissen als Arbeitsmediziner, dass sogenannte Power Naps – Kurzschlaf oder Nickerchen – gut tun. Power Naps von zehn Minuten oder einer Viertelstunde sind hilfreich, um – jetzt kommt's – danach produktiver zu sein. Wissenschaftlich ist der Rat absolut stimmig. Es mag sein, dass das psychologisch bei dem einen oder anderen schlecht aufgenommen wird. Aber wenn die Produktivität hinterher besser ist, ist es auch für ein Unternehmen günstig.

Gibt es Berufsgruppen, die durch die Zeitumstellung besonders belastet sind?
Das sind Menschen mit Überwachungstätigkeiten, denken Sie nur an Fluglotsen. Ich betreue ja Menschen auf dem Bau und weiß, wie wichtig ein ausgeschlafener Kranführer ist. Auch ein Lkw-Fahrer darf auf keinen Fall einschlafen. In solchen Branchen würde ich als Vorgesetzte zusehen, dass in den ersten Tagen nach der Zeitumstellung den Mitarbeitern das Nickerchen oder die fünf Minuten an der frischen Luft ermöglicht werden, damit sie anschließend ihre Arbeit gut machen können.

Bleibt die Vorfreude auf den Herbst, in dem wir die gestohlene Stunde zurück bekommen. Oder gibt es Leute, die auch damit noch ein Problem haben?
Die gibt es sicherlich. Aber sie sind wohl nicht so gravierend.

Interview: Silvia Ottow

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